Was macht guten Reisejournalismus aus?

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Von der Apothekenzeitschrift bis zum Hochglanzmagazin, vom Hausfrauenblatt bis zum TV-Bericht mit akademischen Touch: alle haben sie sie, die heißen Reisetipps und Reiseberichte, von billig bis bombastisch, von umweltbewusst bis musikantenstadlig.
Doch was macht guten Reisejournalismus aus, der nicht nur über mögliche Reiseziele informiert und diese beschreibt, der nicht nur so genannte Geheimtipps und oder die Tourismusindustrie flankiert?

Dies will ein Buch von Tanja Thimm und Hans Kleinsteuber aufschlüsseln. Es heißt „Reisejournalismus“, ist soeben in der zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage im Wiesbadener Verlag für Sozialwissenschaften erschienen, und wendet sich gleichermaßen an Einsteiger und Profis des reisejournalistischen Geschäfts, an Studierende und Lehrende der Journalistik und auch Tätige in der Weiterbildung. Tanja Thimm ist Professorin für Tourismusmanagement an der HTWG Konstanz, Hans Kleinsteuber lehrt als Professor für Wissenschaft und Journalistik an der Uni Hamburg und ist Leiter der Arbeitsstelle Journalismus und Politik.

Das interessante an dem Buch ist, dass auch reisehungrige Laien jede Menge darüber erfahren können, was guter Reisejournalismus ist und wie er zu Stande kommt. Denn das Duo Thimm/ Kleinsteuber hat nicht nur die besten Reporter und Redaktionen aus der Branche befragt, sondern behandelt auch viele handwerkliche und ethische Aspekte und gibt so einen tiefen Einblick in die Herangehens- und Arbeitsweise.

Kritisch stellen die Autoren gleich am Anfang des Buches ein Kapitel zu den Widersprüchen des Reisejournalismus und gehen darin auch auf Widersprüchliches ein, etwa auf die Gegensätze zwischen Individualität und Massentourismus oder zwischen der gleichzeitigen Suche nach Fremdem und Vertrautem. Denn sie wollen den „aufgeklärten Leser“ auch darüber informieren, „was in diesem nicht immer sauberen Gewerbe möglich ist“.

Danach wird über Reisemotivation und Reiseberichterstattung informiert, bis hin zu Urlaubertypologien, für die es mittlerweile auch jeweils passende Publikationen gibt.

Aufschlussreich und informativ ist das Kapitel über die Geschichte der Reiseberichterstattung bis hin zur Entwicklung des deutschen Reisejournalismus.

Dann geht es ans Handwerkliche, aber keineswegs im Stil eines trockenen Lehrbuches. Flüssig, mit vielen praxisnahen Einsprengseln wird das Handwerkszeug der Reisejournalistinnen und -journalisten unter die Lupe genommen und erläutert. Von der Recherche über die einzelnen Textformen bis hin zur reisejournalistischen Fotopraxis. Ebenfalls lesenswert: der Exkurs über die Reiseberichterstattung im Fernsehen.

Doch das ist dem Duo Thimm/Kleinsteuber nicht genug. Es macht auch noch eine Bestandsaufnahme der wichtigsten Reisemedien mit Beispielreportagen. Die Praxisnähe des Buches wird zusätzlich durch Berichte namhafter Reisejournalisten und -journalistinnen noch weiter gesteigert.

Die Autoren begnügen sich aber nicht nur mit Bestandsaufnahmen und der Wissens- und Erfahrungsvermittlung. Kritisch werden auch Themen wie das Problem von Stereotypen und Vorurteilen behandelt, wenn es um die Wahrnehmung des Fremden durch Reisejournalisten geht. Auch vor den Gratwanderungen im Reisejournalismus machen Thimm und Kleinsteuber nicht halt, wenn sie sich mit Abhängigkeiten von PR und Tourismusindustrie oder mit Medien als Reiseveranstalter befassen.

Abgerundet wird das Buch mit einem Kapitel über Reisen und digitale Medien, in dem auch Handwerkliches vermittelt wird. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und eine Linkliste sind ebenfalls vorhanden.

„Reisejournalismus“ ist eine umfassende wissenschaftliche Einführung in das Thema – und eine ideale Reiselektüre.

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