DRV-Jahrestagung in Reggio di Calabria

194

„Als Reisewirtschaft darf unser Blick nicht am Tellerrand enden, denn die Reisewirtschaft baut Brücken“, mit diesen Worten eröffnete der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig, im Rahmen seiner Grundsatzrede die 68. DRV-Jahrestagung im italienischen Reggio di Calabria.

„Daher haben wir unsere Tagung unter das Motto ‚Think Global!‘ gestellt und beschäftigen uns mit den vielfältigen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen.“ Die Welt verändere sich und Lösungen könnten nicht im Alleingang und im Klein-Klein gefunden werden. Stattdessen seien kluge politische und wirtschaftsstrukturelle Lösungen gefragt. „Dies erfordert einen breiten Horizont, internationale Zusammenarbeit, gegenseitiges Verständnis und stabile, funktionierende Netzwerke“, so Fiebig und erteilte damit nationalen Alleingängen und populistischem Gedankengut eine Absage.

Bedeutung des Tourismus für Entwicklungshilfe
Dem Tourismus kommt in Sachen Entwicklungshilfe eine große Bedeutung zu. Diese wurde durch die Anwesenheit des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, unterstrichen. „Als weltweit einzige Industrie bietet der Tourismus grundsätzlich allen Staaten wirtschaftliche Chancen und hilft somit, Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen“, betonte Fiebig.

Welche Auswirkungen durch den Brexit zu erwarten sind
„Der Brexit birgt viele Unsicherheiten für die Menschen und für die Wirtschaft dies- und jenseits des Ärmelkanals“, sagte Fiebig. Viele Fragen seien noch ungeklärt auch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Reisewirtschaft. „Natürlich setzen wir uns dafür ein, dass die zu erwartenden Einschränkungen durch den Brexit möglichst gering ausfallen“, so Fiebig weiter. Man spreche sich für eine weitgehende Angleichung der Rechtsrahmen aus, damit das Tourismusgeschäft zwischen EU und UK möglichst ungehindert fortgesetzt werden könnte.

Darüber hinaus erläuterte Martin Schulz, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments und Redner auf der Tagung, in seinem Vortrag wie in Zeiten des Brexit und der zunehmenden Nationalisierung die offene Gesellschaft verteidigt werden könne.

100 Tage neues Reiserecht – Erreichtes nicht gefährden
„Es ist – wie zu erwarten war – ein Bürokratiemonster geworden“, äußerte sich der DRV-Präsident zum neuen Reiserecht, das seit dem 1. Juli in Kraft ist. Dass die Einführung nicht ohne Ruckeln über die Bühne gegangen sei, verwundere nicht wirklich: „Das neue Recht ist derart komplex und so bürokratisch, dass es im Alltag an vielen Stellen praxisfremd wirkt.“ Darüber hinaus warnte Fiebig vor übertriebenen Erwartungen an eine Evaluierung, denn Verbraucherschutz würde in Brüssel noch größer geschrieben als in Berlin. Fiebig: „Wir müssen unbedingt sicherstellen, dass wir nicht noch mehr Belastungen aufgebürdet bekommen, und uns das Erreichte nicht verloren geht!“. Damit sprach er den Verkauf von Einzelleistungen im Reisebüro an, ohne dass diese in die Veranstalterhaftung geraten. Dies dürfe nicht gefährdet werden.

Die Urlaubssteuer muss weg!
Die vom Tourismusbeauftragten der Bundesregierung Thomas Bareiß jüngst bereits als „Unding“ bezeichnete Urlaubssteuer führt nicht selten zu Steuerquoten von 60, 80 und 90 Prozent und damit zu enormen Belastungen für die Reiseveranstalter. „Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Hotelleistungen wirkt stark wettbewerbsverzerrend, weil beispielsweise Hotelportale dieser Steuer nicht unterliegen“, erklärte Fiebig. Außerdem würde ein Drittel der deutschen Reiseveranstalter ihre Unternehmen ins Ausland verlagern müssen – mit katastrophalen Folgen für die Branche, die Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Deshalb fordern wir: Die Urlaubssteuer muss weg!“ Auch wenn mit dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf, ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer verlässlichen Lösung erreicht wurde, wird die Branchen-Kampagne „Nein zur Urlaubssteuer“ in Reggio di Calabria als Twitter-Aktion fortgesetzt. Das Gericht teilte in seinem Urteil vom 24. September die Auffassung der Branche, dass der Hoteleinkauf nicht der Gewerbesteuer hinzuzurechnen ist.

Europäische Sammelklage bringt Ungemach aus Brüssel
„Die Sammelklage öffnet organisiertem Missbrauch Tür und Tor. Darum erwarten wir von der Bundesregierung, in der EU entsprechend zu agieren“, sagte Fiebig zu den Plänen der Europäischen Kommission, eine kollektive Schadensersatzklage einzuführen. Die Reisewirtschaft habe nachweislich zufriedene Kunden. Die Zahl der Reklamationen bei Veranstalterreisen liege bei unter zwei Prozent und die Anzahl der Fälle, die tatsächlich vor Gerichte landeten, sogar im unteren Promillebereich, da die meisten Probleme direkt vor Ort behoben würden. „Das ist gelebter Verbraucherschutz“, so Fiebig. Im Übrigen wären durch die zum 1. November kommende Musterfeststellungsklage ausreichend Instrumente zur kollektiven Durchsetzung von Verbraucherinteressen in Deutschland vorhanden.

Der DRV-Präsident begrüßte hingegen den Entwurf des Bundes-Justizministeriums für ein Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, mit dem der sich massiv ausbreitende Missbrauch von Abmahnungen verhindert werden soll. „Seit Wochen beschäftigt uns beim DRV eine Abmahnserie, bei der in großem Umfang Abmahnungen an Reisebüros verschickt wurden. Als DRV gehen wir hier rechtlich dagegen vor – um die Reisebüros zu schützen“, ergänzte Fiebig.

Gedruckte Preisteile gehören abgeschafft
Mit den gedruckten Preisteilen, die den Urlaubskatalogen in Millionenauflage beiliegen, sprach der DRV-Präsident ein Thema an, das weder aus Nachhaltigkeits- und Umweltschutzüberlegungen noch aufgrund der sich in Zeiten der Digitalisierung verändernden Geschäfts- und Kommunikationsprozesse nachvollziehbar ist. „Keiner braucht sie – weder Verbraucher noch die Reisebüros“, erläuterte Fiebig. „Rund 3.000 Tonnen Papier – das entspricht, wenn man die Blätter nebeneinander legt, immerhin 3.500 Fußballfeldern – werden jedes Jahr für die Preisteile bedruckt und durch die Gegend gefahren. Um sie dann ungenutzt in den Altpapiercontainer zu befördern“, so Fiebig weiter. Die jüngste Rechtsprechung sah einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Informationspflichten, wenn der konkrete Reisepreis nicht ausgewiesen werde. Nach Ansicht des DRV ist die Aufschlüsselung der zahlreichen Preisvarianten in gedruckter Form weder im Sinne der Preistransparenz noch rechtlich notwendig, da die Kunden vor der Buchung entweder vom Reisebüro oder vom Veranstalter die aktuelle Preisinformation erhalten oder sich im Internet darüber informieren können. „In Zeiten der Digitalisierung verändert sich alles – die Prozesse, die Geschäftsmodelle, die Kommunikation – aber der gedruckte Preisteil soll bleiben? Ja – ich weiß sehr wohl, dass für den Wegfall drei deutsche respektive europäische Gesetze geändert werden müssten. Dann muss das eben passieren! Damit wir nicht in zehn Jahren noch immer lustig Preisteile drucken, die schon heute niemand braucht“, ärgert sich der DRV-Präsident.
Quelle: Deutscher Reiseverband