Erstmalig werden am kommenden Montag in München tausende Hoteliers und Gastronomen aus ganz Bayern zusammen mit ihren Mitarbeitern im Rahmen einer Großdemonstration gegen Bürokratismus und Dokumentationswahn auf die Straße gehen.
DEHOGA Bayern-Präsident Ulrich N. Brandl betont: „Wir wollen für unsere Gäste da sein, statt Formulare ausfüllen. Die Demonstration ist ein Hilferuf der Branche, denn eine immer größer werdende Verordnungslawine zieht immer mehr Betrieben den Boden unter den Füßen weg.“ Zugleich verhindert das Arbeitszeitgesetz flexibel auf die speziellen Anforderungen einer Dienstleistungsbranche reagieren zu können.
Die Demonstration findet am
Montag, 20. April 2015
Beginn 11.00 Uhr
Startort: Odeonsplatz in München statt
Wegverlauf: Odeonsplatz – Briennerstraße – Maximiliansplatz – Karlsplatz/Stachus – Bayerstraße – Theresienwiese
Zum Hintergrund:
Befasst man sich einmal damit, was ein einfacher Gastronom alles schriftlich dokumentieren muss, ist man erstaunt, wie viel Papier sich hier ansammelt:
Dokumentation der täglichen Arbeitszeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach dem Mindestlohngesetz, Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie Dauer aller Pausen
Dokumentation von Allergenen nach der vorläufigen deutschen Lebensmittelinformations-Ergänzungsverordnung; mit der neuen Eilverordnung sind es nicht nur 14 Allergene, wie zunächst angekündigt, sondern 26 allergene Stoffe die erfasst werden müssen – für jedes Gericht, jedes Häppchen und für alle Variationen
Dokumentation der Unterweisung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit nach dem Arbeitsschutzgesetz samt Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen und Unterlagen zur Ermittlung von körperlichen und psychischen Belastungen bei der Arbeit und Maßnahmen des Arbeitsschutzes
Dokumentation der ärztlichen Bescheinigungen über die ärztliche Untersuchung von Jugendlichen beim Eintritt ins Berufsleben nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz
Dokumentation der Mitführungs- und Vorlagepflicht von Ausweispapieren nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz
Dokumentation zur Feststellung und Festsetzung von Steuern nach dem Umsatzsteuergesetz
Dokumentation der Kasseneinnahmen und -ausgaben nach der Abgabenordnung
Dokumentation der Unterweisung zum Arbeitsschutz gemäß BGV A1 „Grundsätze der Prävention“
Benennung von Beschäftigten, die im Betrieb Aufgaben der Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung nach dem Arbeitsschutzgesetz übernehmen
Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen sowie regelmäßige Prüfaufzeichnungen, -bescheinigungen und -kennzeichnungen von Aufzugsanlagen nach der Betriebssicherheitsverordnung
Pflicht für Beherbergungsbetriebe nach dem Bundesmeldegesetz, jeden Gast einen Meldeschein ausfüllen zu lassen und Meldescheine ein Jahr lang aufzubewahren
Erstellung umfangreicher Statistiken auf monatlicher Basis nach dem Beherbergungsstatistikgesetz
Bescheinigung des Gesundheitsamtes samt Dokumentation einer betriebsinternen Belehrung der Mitarbeiter nach dem Infektionsschutzgesetz
umfassenden hygienerechtlichen Dokumentation zum Nachweis der Einhaltung der HACCP-Grundsätze sowie zum Nachweise über aktuelle Fachkenntnisse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 und der Lebensmittel-Hygieneverordnung
Dokumentation des Wareneingangs sowie der Temperaturkontrolle bei Lebensmitteln und technischen Einrichtung zur Lagerung und Kühlung von Lebensmitteln
Dokumentation der Reinigung von Getränkeschankanlagen
Dokumentation der Untersuchung, Reinigung und Desinfektion des Betriebes und seiner Anlagen und technischen Einrichtungen
Dokumentation der nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukte im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002.
und noch vieles mehr …
Brandl: „Es steht ja außer Frage, dass Arbeitszeiten aufgezeichnet werden müssen. Der jetzt geforderte Aufwand schießt allerdings weit über das Ziel hinaus. In einer Branche, die sich in hohem Maße durch kleine, familiengeführte Betriebe auszeichnet, stellt sich mittlerweile die Frage: Wann soll man nach all dieser Dokumentationsflut eigentlich noch kochen, Gäste bewirten und dabei lächeln? Und ganz nebenbei müssen die Betriebe erfahren, dass für Vereine oder gemeinnützige Organisationen großzügige Ausnahmeregeln gelten. Hier stellt sich z.B. hinsichtlich der Allergenkennzeichnung die Frage, ob Gesundheitsschutz denn teilbar ist?“
Um ein Zeichen zu setzen, haben viele Betriebe beschlossen, am 20. April ihre Betriebe zu zusperren. „Denn erst wenn man spürt, dass die Wirtschaft zu ist, merkt man, wie wichtig unsere kleinen mittelständischen Betriebe sind und was Sie tatsächlich für die Gemeinschaft leisten“, so Brandl.
Quelle: DEHOGA Bayern