Türkei gerät in den Strudel der Proteste gegen die Regierung

80

Vor wenigen Wochen noch galt die Türkei als der ausgemachte Gewinner der Reisesaison 2013. Nach den regierungskritischen Protesten Ende Mai scheint sich das Blatt gewendet zu haben: Die Bilder von den anhaltenden Demonstrationen und Aktionen von Bürgern gegen die amtierende Regierung und die Reaktion des Staates mit gewaltsamen Polizeieinsätzen hinterlassen in der Reisesaison bereits Spuren. Nach einer Umfrage des Travel Industry Club unter Entscheidern der Reiseindustrie gehen 82 Prozent der Befragten davon aus, dass die Reaktion des türkischen Staates dem Tourismus im Land schadet. Der Beitritt der Türkei in die Europäische Gemeinschaft rückt nach Einschätzung der Entscheider aus der deutschen Reisebranche in weite Ferne.

86 Prozent der Ende Juni 2013 befragten Manager sind bei der am Montag veröffentlichten Umfrage der Ansicht, dass das Image der Türkei als Reiseland durch das harte Eingreifen gegen die Demonstranten gelitten hat. Und für 70 Prozent der Befragten steht außer Frage, dass die Türkei die Protestwelle und die Reaktion des Staates in einem Rückgang an Reisenden zu spüren bekommt. 35 Prozent
sind der Auffassung, dass sich Urlauber von derartigen Protesten bei der Wahl des Reiselandes nicht beeinflussen lassen. Der mit 65 Prozent überwiegende Teil geht dagegen davon aus, dass dies sehr wohl ein Faktor bei der Wahl des Reiselandes ist. Die deutsche Reisebranche ist auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung in der Türkei offensichtlich eher skeptisch: Nur 29 Prozent der vom
Beratungsunternehmen Trendscope im Auftrag des Travel Industry Club befragten 179 Manager sind der Auffassung, dass sich die Unruhen legen und keinen weiteren Einfluss auf die Reisebilanz für das laufende Jahr haben werden. 79 Prozent der Manager sind der Meinung, dass die Bilder aus der Türkei nachdenklich stimmen und auch bei Reisenden in Erinnerung bleiben werden. Und für 67 Prozent sind in
der Türkei deutlich Tendenzen zur Islamisierung erkennbar – von der Verschleierung der Frauen bis hin zur Einschränkung des Alkoholkonsums. Das wirke auf deutsche Urlauber eher abschreckend undwerde zu einem Rückgang der Touristenzahlen führen. Im Hinblick auf den Beitritt der Türkei in die Europäische Gemeinschaft ist die Einschätzung der Reisemanager ernüchternd: Nur 22 Prozent sind der Auffassung, dass die Türkei ungeachtet der jüngsten Ereignisse in die EU gehört. 87 Prozent der Manager sprechen sich dafür aus, dass die EU mit der Aufnahme der Türkei noch zu warten habe.

Dirk Bremer, Präsident des Travel Industry Club: „Das Beispiel Türkei zeigt sehr deutlich, wie fragil die Reisebranche ist und welchen Einfluss die mediale Berichterstattung auf die Menschen und ihre Entscheidungen hat. Der Reisende reagiert nicht nur zunehmend
sensibel – er kann seinen Unmut über den direkten Zugriff auf alternative Angebote unmittelbar zum Ausdruck bringen.“