Auf den Spuren der Thraker

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Herr Thraker kam mit seiner Frau und zwei Kindern am 14. September vor 7000 Jahren von Innerasien nach Kazanlak in das Tal der Könige, baute sich dort ein Haus und so begann die Geschichte von Bulgarien. Ja, wenn es doch so einfach wäre. Tatsächlich weiß man über das Volk der Thraker immer noch nicht sehr viel. Mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung hatte dieses indoeuropäische Volk seine erste große Blüte, das bulgarische Reich erstreckte sich vom heutigen Serbien und der Donau bis weit hinein nach Mittelasien, war also riesig. Später teilte sich das Reich, bis es schließlich auf die heutige Größe von etwas über 110 000 Quadratkilometer schrumpfte. Bei Homer finden sich die ersten Erwähnungen, berühmte Gestalten der griechischen Mythologie, besonders der Sänger Orpheus, galten als Urkönige der Thraker. Auch bei der Schlacht von Troja, profilierten sich thrakische Helden aus den gut Hundert namentlich bekannten Stämmen des Reitervolks. Spartakus, auch ein Thraker, zettelte den größten Sklavenaufstand an und erschütterte damit das römische Weltreich. Oft wurde das Land erobert, von den Persern, Alexander dem Großen, Römern, Byzanz, schließlich im 14. Jahrhundert von den Osmanen, die erst 1878 von den Russen vertrieben wurden. Nach 1945 war Bulgarien ein strammer kommunistischer Staat, ein treuer Verbündeter der Sowjetunion, 1989 wurde es dann eine parlamentarische Demokratie.

Zeugnisse der reichen Geschichte finden sich überall im ganzen Land, besonders in den gut 15 000 Grabhügeln, die man erst sehr spät zu erforschen begann. Da waren die meisten schon ausgeraubt, aber hin und wieder gibt es noch spektakuläre Entdeckungen und bei der Vielzahl der Anlagen wird es sicher noch viele positive Überraschungen geben. Schön konzentriert finden sich die meisten der 680 000 Originale im Nationalmuseum für Geschichte in der früheren Regierungsresidenz Boyana bei Sofia, www.historymuseum.org . Ein schöner und schön gelegener Bau, bewacht von einem martialischen alten sowjetischen Kampfhubschrauber. Zwar ist die Ausstellung ganz gut gegliedert, aber oft recht lieb- und gedankenlos zusammengestellt, es finden sich nicht überall Beschriftungen in anderen Sprachen als bulgarisch, sollte man dringend verbessern. Das gilt auch allgemein für das ganze Land, seien es die Beschriftungen der Grabhügel, andere Museen, Ortsnamen an Nebenstraßen, in Hotels, auf Speisekarten und bei vielen anderen Dingen. Schließlich ist Bulgarien seit 2007 Mitglied der Europäischen Union, die auch mit viel Geld die Entwicklung des Landes unterstützt. Museen gibt es fast in jeder Stadt, so besonders in Plovdiv, Varna und Vraza. In Gabrovo gibt es das weltweit einzige „Haus des Humors und der Satire“.

Über das ganze Land verstreut finden sich die Grabhügel, die man oft gar nicht als solche erkennt, es sind halt kleine bis mittelgroße Hügel in der Landschaft. In die Erde eingelassen sind die aus Steinen erbauten Kammern ohne Mörtel passgenau aufeinander gestapelt, eine Art Megalithbauten, bedeckt von drei Schichten verschiedener Erden, die mittlere aus Ton oder Lehm, so das keine Flüssigkeit eindringen kann, genial gebaut. Die Eingänge blieben nach der ersten Bestattung frei, danach wurden immer wieder Verstorbene aus der Familie in die Gruft gelegt, zwischenzeitlich diente die Grabkammer als Tempel. Nachdem der letzte Tote seine Ruhestätte bezog, verschloss man die Nekropole meist mit einer steinernen Schiebe- oder Flügeltüre und schüttete das Ganze zum Grabhügel auf.

Will man die Grabhügel selbst besichtigen, muss man weit über Land fahren. Von Sofia bis nach Russe am Ufer der Donau sind es gut 330 km, vom Goldstrand gut 2 Stunden, die Straße ist gut. Auf der anderen Seite liegt Rumänien, die einzige Brücke auf mehreren Hundert Kilometern ist bewacht wie in Kriegszeiten, merkwürdig zwischen EU-Ländern. Vom Restaurant des hohen Riga-Hotels hat man einen guten Überblick über die Stadt und weit hinein nach Rumänien. Bis zum Königsgrab in Sveshtari bei Isperih auf dem Ginnia Hügel sind es noch mal gut 90 km, die Anlage steht in der UNESCO Weltkulturerbeliste. Begraben ist hier ein Herrscher der Geten namens Dromihet. Die drei Grabhügel sind schon von weitem sichtbar. Die Anlage besteht aus einem Korridor und drei Räumen, jede Kammer hat ein eigenes Gewölbe. Der Hauptraum ist 7.50 m breit und 6.50 m hoch, mit Frauenreliefs verziert, mit schöner Ornamentik, dorischen und konrinthischen Säulen, die Steintür ist vollständig erhalten. Ein Raum war für die Lieblingsfrau, ein anderer für seine Lieblingspferde. Die ganze Anlage ist sehr beeindruckend, rein kommt man nur mit einer Führung, die gibt es auch auf Deutsch.

Von hier sind es 180 km bis Veliko Tarnovo, der ehemaligen Hauptstadt, romantisch in einer Schlucht gelegen, mit an den Hängen klebenden Häusern, überragt von der gewaltigen Festung auf den Trapetzitsa und Tsarevets Hügeln. Ab und zu gibt es dort abends eine farbenprächtige und historisierende Light-Show mit viel Krach, Musik und alles ist schön bunt. Nicht auslassen sollte man die schöne Altstadt, dort kann man auch gut seinen Bedarf an Souvenirs decken, die Preise sind moderat. Wer es gern religiös mag, fährt noch 10 km in die kleine Stadt Arbanassi und besichtigt die sehenswerte Kirche Christi Geburt mit 3500 schönen Wandmalereien aus dem 16. bis 17. Jahrhundert.

Zum nächsten Grabhügel sind es 110 km, man überquert den Shipka Pass in 1600 m Höhe, dann ist man in der Nähe von Kazanlak, dem Tal der thrakischen Könige. Dort gibt es mit Golyama Kosmatka, einen Tempel und das Grab von König Seuthus III, alles erst 2004 entdeckt. Ein wunderschönes Stück hellenistischer Kunst aus Bronze wurde hier gefunden, der Kopf eines bärtigen Mannes. Gut 26 m lang ist die Anlage, auch hier drei Kammern. Im ersten Raum war ein Pferd bestattet, der zweite diente wohl als Tempel, in der Hauptkammer steht ein großes steinernes Bett. Eine Menge wertvoller Grabbeigaben wurden gefunden. Nicht weit entfern ist das Grab Ostrusha, auf gut über 100 qm gibt es viel zu sehen. In der Stadt Kazanlak auf einem Hügel gibt es gleich zwei Grabhügel, einen echten und einen falschen. Im echten bienenkorbähnlichen Grab fand man sehr gut erhaltene Wandmalereien, schöne Menschen und prächtige Tiere in einer Art Prozession mit Trompetenspielern, Geschenke tragenden Frauen, beladenen Pferdewagen, an der kreisrunden Decke ein sehr dynamisches Pferdewagenrennen, alles verziert mit schöner Ornamentik. Im falschen, nachgemalten Grab kann man das alles in Ruhe besichtigen, ins Original kommt man nicht rein –außer man ist gerade mit dem bulgarischen Touristikminister Herrn Traykov unterwegs und da gibt es halt eine Ausnahme. Unterschiede habe ich allerdings nicht festgestellt, fast war die Replik noch schöner. Ansehen sollte man sich das Iskra-Museum mit mehr als 50 000 Originalen aus dem Tal der thrakischen Könige und Umgebung.

Und diese heißt auch das Tal der Rosen zwischen dem Balkangebirge und dem Sredna Gora Gebirge, denn hier wächst auf mehr als 36 000 Hektar Bulgariens teuerster Schatz, die ölhaltige Damascena-Rose. Sie gibt zur Erntezeit gut 60 000 Menschen Arbeit. Das Klima im Tal ist sehr spezifisch, kurze milde Winter und langer warmer Frühling. Für die Gewinnung von 1 kg Rosenöl werden 3500 kg Rosenblätter benötigt, die man nur zu einem bestimmten Zeitpunkt der Reife und nur am frühen Morgen pflücken kann, wenn die Blüten noch nicht ganz geöffnet sind. Etwa 2.5 Tonnen Rosenöl werden produziert, der Grundpreis für 100 ml (!) liegt zwischen 3000 und 5000 € und daher es ist kein Wunder, das in der Zentralbank in Sofia noch unter den bulgarischen Goldreserven im tiefsten Keller der wahre Schatz liegt, reines Rosenöl. Verwendet wird das Öl hauptsächlich für kosmetische Produkte. In den Duty Free Shops auf den Flughäfen in Bulgarien bekommt man diese feinen Sachen recht günstig, zuhause sind sie mindestens sieben Mal teurer, unschlagbar billig kauft man aber am besten den Jahresvorrat in Kazanlak selbst.

Auf dem Weg zur zweitgrößten Stadt Bulgariens halten wir an einer Raststätte, hier feiern mehr als Hundert Zigeuner eine Hochzeit auf dem Parkplatz. Der Bräutigam ist jünger als die Braut und sieht nicht sehr glücklich aus. Am meisten Spaß haben einige gewichtige Damen reiferen Alters, die mit dem Paar und vielen anderen zur Musik einer lärmenden Kapelle immerzu im Kreis tanzen. Man interessiert sich für unsere Herkunft und wird sofort freundlichst eingeladen mitzutun, leider haben wir keine Zeit dafür. Gut 600 000 Zigeuner gibt es im Land, für die Bulgaren sind sie wohl ein Problem, das teils sesshafte, teils fahrende Volk sieht das anders. Unterwegs sieht man auch einige weniger ansehnlichen Stellen des Landes, verwahrloste Landschaften mit heruntergekommenen Dörfern, riesige, teilweise völlig verrottete Industriekomplexe, in aller Hässlichkeit schon fast wieder interessant schön.

Die Stadt Plovdiv an beiden Seiten der Mariza liegt auf sechs Hügeln und man kann sie gut, nach einem Spaziergang durch die Altstadt mit den vielen sehr schön restaurierten alten Häusern, von einem der Hügel überblicken, bei Sonnenuntergang findet sich hier die verliebte Jugend und schaut auf die Stadt. Auf die vielen sozialistischen Plattenbauten, deren Erhalt sich nicht lohnt, die aber ein Großteil der Wohnungen beinhaltet, teilweise gibt es kuriose Sanierungsversuche. Erhalten hat sich ein haltbarer gebautes römisches Amphitheater ganz aus Marmor, dort finden Festivals für Musik- und Bühnenkünste statt. Es gibt einige sehenswerte Kirchen mit mittelalterlichem Charme, verflochten mit Elementen des Orients, Barock- und Renaissancekirchen, hier wurde 1861 die erste Orgel Bulgariens aufgestellt.

Weiter geht es zu den nächsten thrakischen Grabmälern in Alexandrovo , hier steht eines der größten Gräber mit sehr schön erhaltenen Fresken, die Auskunft geben über religiöse Sitten, Kulte, Waffen, Kleidung und Lebensart. In Mezek fand man 1909 die bisher größte bienenkorbartige Kuppel mit einem runden und zwei rechteckigen Räumen. Besonders sehenswert die virtuos gemalten Jagdszenen, vier Reiter und vier Männer zu Fuß greifen zwei Eber und zwei Hirsche an, neun Hunde beteiligen sich, eine realistische und expressive Darstellung aus einer versunkenen Welt. Die Sargkammer war mit einer schweren Tür aus Bronze verschlossen, drinnen fand man viele Gegenstände aus Bronze, Gold, Eisen und Glas, unter anderem aus Bronze ein massives Wildschwein. Nicht auslassen sollte man in den Ostrhodopen die Ausgrabungen und Sehenswürdigkeiten von Kardjali-Perperikon und Starosel. Der archäologische Komplex Perperikon, die heilige Stadt, liegt auf einem großen 450 m hohen Felsen, die größte Megalithanlage des ganzen Balkans, vergleichbar in der Bauweise mit ähnlichen, aber größeren Anlagen im Mittelmeerraum oder Südamerika, vielleicht 7000 Jahre alt. Später hat man dort eine starke Festung und die dazugehörigen Anlagen gebaut, die die Osmanen wieder zerstörten, gut erhalten ist noch eine große Mauer, eine Akropolis aus gigantischen Steinblöcken, eine Zisterne und der runde Altar des Dionysius Tempels. Von diesem einsam gelegenen Ort geht eine beeindruckend merkwürdige Faszination aus, man spürt regelrecht die jahrtausendealte Geschichte.

Die spürt man auch in den riesigen Eichenwäldern im Land. Ihnen und der wunderbaren Natur kann man mit Dorf-, Öko- und Landtourismus näher kommen. Ein Großteil des Landes ist als Naturschutzparke und- gebiete ausgewiesen, im Sommer wie im Winter kann man durch die Berggegenden Rila, Pirin, Balkan und Strandza wandern, skilaufen, wilde Radtouren unternehmen, auf dem Pferderücken die Schönheiten entdecken, Angeln, Schwimmen, Rudern und was es sonst noch gibt. Und es gibt wirklich viel zu erleben in unberührter sauberer Natur mit schönen Aussichten, vielen Menschen wird man dabei nicht begegnen. Die trifft man in den kleinen Dörfern. Der Aufenthalt in einem gastfreundlichen Bauernhaus und das Leben mit den Bewohnern, mit ihrem Alltag, ihren Festlichkeiten, den Sitten und Gebräuchen, mit authentischer Volksmusik oder traditioneller Handwerkskunst vermitteln dieser Art des Urlaubs einen einmaligen Reiz. Stellen Sie sich einen gemütlichen Abend in einem Bauerhaus vor, auf dem Tisch stehen Lukanka, Sudschuk, Babek, Kampama, es gibt Patanik, Baniza oder Kavarma mit Sirene und Kaschkaval. Was das alles ist, müssen sie schon selbst herausfinden. Dazu einen guten Wein, Elenova aus Nova Zagora, einen Mavrud Tiara oder den schweren Merlot aus Melnik. Oder ein ausgezeichnetes Bier, das bulgarische Mineralwasser gilt als das beste der Welt. Jogurth wurde hier erfunden. Die thrakischen Reiter trugen am Gürtel einen Lammfellsack mit Milch und in Verbindung durch die Mikroflora des Sacks, der Körpertemperatur und das Durchschütteln entstand „schnittfeste Milch“, eben Jogurth. Später hat der bulgarische Arzt Stamen Grigorow den verursachenden „lactobacillus bulgaricus“ entdeckt. Davor, zwischendurch und danach Rakija, einen Rosenschnaps oder mehrere Slivowitz. Dann wird draußen schon mal ein großes Holzfeuer angezündet und spät am Abend tanzen mutige Bulgaren dann über die glühenden Stücke, man nennt das Nestinarentum. Ich habe es ausprobiert, merkwürdigerweise verbrennt man sich nicht die Füße, ein wahrhaft tolles Gefühl. Nur sehr schmutzig waren die unversehrten Füße hinterher.

Bulgarien ist fast ein wahrer Garten Eden des Ostens und hat wesentlich mehr zu bieten als die eigentlich sehr schöne Schwarzmeerküste mit all den fürchterlichen Auswüchsen des Billigtourismus. Bulgarien wartet auf bewusste Touristen, die auch einige Unzulänglichkeiten in Kauf nehmen, dafür aber mit vielen, vielen Dingen reich belohnt werden. Mehr Informationen: www.bulgariatravel.org , www.discoverbg.net , , www.journey.bg , www.aboutbulgaria.biz .