Die Sonderwirtschaftszone Ermland-Masuren in Polen

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Gut drei Stunden braucht man mit dem Auto über teilweise gute Straßen vom Flughafen Warschau nach Olsztyn (Allenstein) und freut sich dann über ein schönes Hotel. Das heißt „Marina Golf Club “ www.marinagolfclub.pl , hat 5-Sterne und liegt 9 km entfernt im Örtchen Gietrzwald wunderbar auf der Landzunge des Wulpirinskie-Sees. Vor ein paar Monaten eröffnet, bietet das Refugium alles was der verwöhnte Gast haben will, große schöne Zimmer, eine wirklich gute Küche in zwei Restaurants, alles Notwendige für Tagungen und Konferenzen, einen exquisiten SPA-Bereich mit großem Schwimmbad und Fitness-Center, ein Café, eine Bar mit gutem Barkeeper und vieles mehr zur Erholung nach einem anstrengendem Arbeitstag. Besonders angenehm sind die niedrigen Preise.

Den nächsten Morgen beginnen wir schon früh, wir wollen die „Warmińsko-Mazurska Specjalna Strefa Ekonomiczna“ kennen lernen, die „Sonderwirtschaftszone Ermland-Masuren“. Sonderwirtschaftszonen sind räumlich abgegrenzte Gebiete, in denen die Gewerbetätigkeit zu Vorzugsbedingungen geführt werden kann. Hauptziele der Gründung von Sonderwirtschaftszonen in Polen sind: Wirtschaftliche Entwicklung der Regionen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, das Anbieten von neuen technischen und technologischen Lösungen, das Bewirtschaften von Industriebrachländern, die Stärkung der Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen. Die Sonderwirtschaftszone Ermland-Masuren wurde für den Zeitraum von 20 Jahren mit der Verordnung des polnischen Ministerrates vom 9. September 1997 gegründet, gilt zur Zeit weiter bis 2020, an eine Verlängerung bis 2026 ist gedacht. Die Sonderwirtschaftszone umfasst derzeit rund 984,8 ha Grundstücke, die sich in 28 Subzonen befinden. Die öffentliche Unterstützung die den Investoren erteilt wird, gilt neben guter Erschließung, günstiger Lage sowie Möglichkeiten breiter Auswahl als Hauptansporn auf diesen Gebieten zu investieren. Unternehmer, die in der Sonderwirtschaftszone investieren, können die öffentliche Hilfe in Form einer Befreiung von Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen 50-70 % in Anspruch nehmen. Einige Gemeinden gewähren zusätzliche Ausnahmen bei den lokalen Steuern und Gebühren, z.B. Befreiung von der Grundsteuer bis zu 100%. Zudem gibt es zusätzliche Zuwendungen der öffentlichen Hand für Anleger in ausgewählten Sektoren innerhalb des Rahmens des „Programms der Förderung von Investitionen mit signifikanter Bedeutung für die polnische Wirtschaft in den Jahren 2011-2020“. Auf dem Gebiet der Sonderwirtschaftszone sind zurzeit 40 Unternehmen tätig, wobei „Michelin Polska S.A.“ und „LG Electronics Mława Sp“ die zwei größten sind.

Ermland und Masuren mit einer Fläche von über 24 000 km2 liegen im Grenzgebiet der Europäischen Union die im Nordosten Polens, an der Grenze mit Russland und Litauen. Seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union entwickelt sich die Region gut, sie gilt zugleich als ein idealer Ausgangspunkt für Geschäfte im Osten. In historischer und kultureller Hinsicht fühlt man sich sehr eng mit Deutschland verbunden. Man hofft darauf, dass die Präsenz des deutschen Kapitals in den Investitionen, die den Wohlstand der Region stärken könnten, in Zukunft noch größer sein wird. Die Hauptstadt der Woiwodschaft, Olsztyn, ist das Zentrum der Provinz. Sie hat 175 482 Einwohner, weitere wichtige wirtschaftliche Zentren in der Provinz sind Elblag mit 124.000 Einwohnern und Ostróda mit 107 285 Einwohnern, dazu kommen 116 weitere Gemeinden.

Die Region bietet wunderbare Natur- und Landschaftsbedingungen, die legendären Masuren -„Land der Tausend Seen“-, deshalb ist der Tourismus ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, der Hauptanteil der ausländischen Besucher waren

Deutsche (54,3 %), Russen (18,5%) und Litauer (3,6%). Begünstigt ist das schöne Land mit großen Wäldern, Naturschutzgebieten und Landschaftsparks, es gibt 3 000 Seen, darunter die größten Seen in Polen: Âniardwy (113,4 qkm), Mamry (102,8 qkm) sowie Jeziorak, der längste polnische See Wielka mit der größten Insel im Landesinneren Europas. Die Seen sind mit Wasserwegen durch ein System von Kanälen und Flüssen verbunden, die Gesamtlänge der Binnenschifffahrts-Strecken beträgt 352 km. Beherbergungsbetriebe gibt es ca. 386, darunter 4- und 5-Sterne-Hotels, Hostels, Kurorte, Sommerlager-Einrichtungen, Ferienanlagen sowie Jugendherbergen. Naturschätze und eine saubere Umwelt bestimmen das große, noch nicht vollständig genutzte touristische Potenzial der Region.

Nach so viel Theorie besuchen wir einige Firmen und schauen uns die praktische Produktion an. Staunen, wie in der Firma „Heinz Glass“ aus grauer Masse heißes Glas wird, das tropfenförmig in eine komplizierte Maschinerie läuft und unten als glühende kleine Flaschen herauskommen, an anderer Stelle als kleine Tiegel und was es sonst noch an Formen gibt. Ein Großteil der in der Kosmetik verwendeten Behältnisse entsteht hier. Nicht weit entfernt in der Firma „Decor Glass“ kann man dann anschaulich erleben, wie aus nüchternen Glasbehältnissen regelrechte Kunstwerke mit den kompliziertesten Verzierungen werden. Schwierig ist diese Arbeit, die Ergebnisse z.B. als Parfüm- oder Alkoholflaschen sind bemerkenswert schön und interessant. Wir schauen uns weitere Firmen an, die sich mit Yacht- und Bootsbau, Schiffsausrüstung, Seeproduktion, Polsterausstattungen für Schiffe, Teile für diverse Boote aus Plastik und Stahl herstellen, variationsreich und in breiter Vielfalt.

Ein spätes Mittagessen im Landgasthof „Kresowa“ in Ostroda www.restauracja-kresowa-ostroda.pl mit einem typisch polnischen Mahl lassen wir uns dann schmecken. Auf den Tisch kommt erweitertes Bigos, ein traditionelles Eintopfgericht aus gedünstetem Sauerkraut mit vielen verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten, dazu diverse Knödel und gefüllte Teigtaschen, diverse Salate und Brotsorten, der Inbegriff der klassischen polnischen Küche, sozusagen das polnische Nationalgericht. Ein gutes Bier gehört selbstverständlich dazu. Ein gemütliches Restaurant, das man jederzeit unbedingt empfehlen kann.

Auf dem Rückweg nach Olsztyn machen wir noch Halt am Messe- und Konferenzzentrum „Demuth Arena Ostroda Centrum“. Auch mal interessant, 20 000 qm große Messehallen völlig leer zu erleben. Hier finden Möbelmessen, Jacht- und Schiffbauschauen mit den damit verwandten Ausrüstungen und Zubehör und Touristikveranstaltungen statt. In den Hallen und den 2082 qm Konferenzeinrichtungen dominiert modernste Technik, verbunden mit cleveren Ideen. Wer hier selbst ausstellen will, findet noch freie Termine, ein weiterer Ausbau ist geplant.

Der Abend endet vergnügt an der Bar mit einer Art polnischem Nationaldrink, bestehend aus Wodka, Tabasco und rotem Saft. Das wird gekippt, im Mund gemischt und dann getrunken, die Wirkung ist enorm. Der freundliche Barkeeper entpuppt sich als Botschafter des guten polnischen Geschmacks und lässt uns weitere typische Getränke, mal weniger-, mal hochprozentiger Natur probieren, eine Art von Entdeckungsreise mit Erlebnischarakter.

Gut, das wir am nächsten Morgen etwa zwei Stunden auf wiederum teilweise recht guten Straßen nach Elblag (Elbing) fahren müssen, um den „Elbląski Park Technologiczny”, den Technologiepark Elbląg zu besuchen. Dieser besteht aus 66,7 ha Investitionsflächen, gelegen im Nordteil der Stadt auf dem Gebiet von Modrzewina. Der Technologiepark ist eine Art Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Der Bereich ist in 6 Subparks aufgeteilt, in denen sich unterschiedliche Technologiemodule für die Wirtschaftstätigkeit befinden. Die Hauptaufgabe des Technologieparks besteht darin, günstige Bedingungen für die Gründung von Wirtschafts-, Investitions- und Forschungstätigkeit zu schaffen, der moderne Komplex sichert den Unternehmern die Möglichkeit, freie Bereiche und Büroflächen zu pachten sowie die Infrastruktur und professionelle Beratungsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Er ermöglicht auch den Transfer von Technologien sowie Hilfe bei der Gewinnung finanzieller Mittel, darunter aus EU-Fonds. Das Herz des Technologieparks ist das „Centrum Biznesu, Rozwoju i Innowacji“, das „Zentrum für Business, Entwicklung und Innovation“ mit einer Gesamtfläche von ca. 6000 qm, ein Ort mit günstigen Bedingungen für die Entwicklung innovativer Geschäfte. Den Unternehmern, die neue technologische Lösungen mit ihren Firmen einsetzen möchten, wird Hilfe und Unterstützung während des ganzen Umsetzungsprozesses angeboten. Zudem befinden sich hier sich verschiedene Forschungs- und Entwicklungszentren für Metallkunde, Umweltqualität, Holztechnik und Möbel, spezialisierte Labore, sowie ein Transferzentrum für Informationstechnologien. Kurzvorstellungen von 5 Firmen folgen im Konferenzteil des Gebäudes, die Firma „Radex“ stellt Türen und Treppen her, die Firma „Metal Expert“ Komponenten für Energieturbinen und verwandte Hilfsgeräte, „Opegieka“ befasst sich mit dem Bau von Systemen zur Unterstützung des Managements in der öffentlichen Verwaltung sowie Systemen für den elektronischen Dokumenten- und Aufgabenumlauf, mit Internetportalen und photogrammetrischen Flugplattformen. Dir Reduktion von Lärm und spezielle Schweiß- und Montagearbeiten an Konstruktionen, Rohrleitungen und Anlagen aus rostfreiem Stahl beschäftigt die Firma „Acoustics“. Ein kleines, aber feines Buffet unterbricht auf angenehme Weise den anstrengenden Tag.

Praktisch schauen wir uns später die Firmen „Schwarte-Milfor“ und „Meble Wojcik“ an, bei Schwarte werden Behältnisse und Apparaturen zur Einlagerung und Verarbeitung flüssiger Lebensmittel, wie z.B. Milchlaster, zum Teil in erstaunlicher Größe hergestellt, bei Wojcik System-, Zimmer- und Jugendmöbel. Die haben wir schon alle in den diversen deutschen Möbelhäusern gesehen.

Später folgt dort noch ein erklärender Vortrag über die Sonderwirtschaftszone Ermland-Masuren. Günstig für die Ansiedlung von Unternehmen sind das Vorhandensein von Arbeitskräften, die niedrige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und relativ niedrige Löhne. In 2011 waren in der Woiwodschaft Ermland-Masuren 840.000 Menschen in Erwerbsalter, davon 593.000 beruflich aktiv, es gab fast 65 000 Schüler der Sekundar- und berufsbildenden Schulen mit 19 300 Absolventen. Englisch ist die am häufigsten gewählte Sprache unter Abiturienten, zweite Sprache ist Deutsch, danach Russisch und Französisch. In der Region dominiert die Lebensmittelindustrie mit 37%, es folgt die Möbelindustrie mit 10%, danach Metallerzeugnissen-Herstellung mit 7%, dann Holzprodukte-Fertigung mit 5,3% und nichtmetallische Rohstoffe-Herstellung mit 3,9%. Durch die zahlreichen Seen, Flüsse und Kanäle ist noch der nautische Sektor mit dem Bootsbau beachtlich, polnische Yachten finden ihre Kunden weltweit.

Der Abend und die Informationsreise finden mit einem Treffen der Vertretungen der Woiwodschaftsverwaltung und Offiziellen der Stadt Olsztyn im sehr empfehlenswerten „Przystan-Restaurant“ www.przystanolsztyn.pl des gleichnamigen Hotels in Olsztyn ein genussreiches Ende. Die Speisenkarte überzeugt nicht nur durch gediegene Auswahl, sondern auch durch überraschend günstige Preise, was aber die Qualität und den Geschmack nicht trübt, genau das Gegenteil ist der Fall. Dazu kommt die herrliche Lage am Seeufer. Hier, wie auch in das ganze Ermland-Masuren-Gebiet sollte man unbedingt zurückkehren, ideal für Urlaub und Erholung.

Mehr Informationen u.a. unter: www.warminsko-mazurskie.coie.gov.pl/pl/