Erwartungsvoll sitzen wir, 12 Touristen und Davíd, unser „Naturalist“ – ein örtlicher Führer mit enormen Kenntnissen in Biologie und Geologie – im Schlauchboot (hier Panga genannt) um die erste Insel unserer Galápagos Expedition zu „erobern“.
Eben noch an Bord der ecuadorianischen Aerogal (Aerolíneas Galápagos, unerwartet gut in Service und Ausstattung) etwa 1.000 km entfernt vom Festland, betreten wir nun Neuland: die Insel Seymour Norte. Das Programm hat viel versprochen für den ersten Tag. Stimmt es wirklich, dass man sich den Tieren nähern kann und diese keine Furcht vor den Menschen haben? Die Kameras und Ferngläser sind jedenfalls bereit, es kann losgehen.
Kaum haben wir die Insel betreten, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Gekennzeichnet ist nur ein schmaler Pfad, den wir nicht verlassen dürfen, aber das ist auch gar nicht notwendig. Die Tiere, in diesem Fall ganz besonders die Vögel, sind nicht irgendwo in weiter Ferne oder am Horizont. Wir müssen nicht darauf vertrauen, dass der schwarze Punkt, den nur unser Naturforscher mit bloßem Auge erkennt, ein Vogel X oder Y ist. Nein, die Vögel sind ganz in unserer Nähe, sitzen auf nahen Büschen, laufen über den Pfad oder nisten direkt daneben.
Wir sind überwältigt von diesem ersten Eindruck. Und wir sind still geworden und fasziniert. Nur noch die Kameras arbeiten.
Blue-Footed Boobies – oder „Sind blaue Füße nun sexy“?
Da sind nun die ersten, gelblichen Landleguane, faule Seelöwen in der Sonne, selten bunte Krebse, die großen Fregattvögel und die herzigen Blaufußtölpel, die uns eigentlich gleichgültig, fast gelangweilt, anschauen. Wir sind keine Gefahr für sie, wir stören sie nicht einmal.
Warum sie Blaufußtölpel heißen, sehen wir auf den ersten Blick. Knallblaue Füße!
Aber warum Tölpel? Enten und Schwäne haben doch ähnliche Füße und sind doch deshalb keine Tölpel.
Als hätten die Vögel unseren fragenden Blick verstanden, kommt die Auflösung sofort.
Ein Männchen – kleiner im Wuchs mit scheinbar größeren Augen – beginnt, und es sieht wirklich ein bisschen tollpatschig aus, vor dem Brutplatz eines Weibchens mit großen Schritten auf und ab zu laufen.
Es legt kleine „Geschenke“ – Zweige, dürres Gras und ähnliches – zur Gestaltung des Brutplatzes hin. Und es zeigt dem Weibchen immer wieder seine blauen Füße.
Also doch, blaue Füße sind sexy, allerdings nur für das „angebetete“ Tölpel Weibchen.
Und dies lässt die blauen Füße auf sich wirken und schaut sie sich ganz genau an. Denn, so erklärt uns dann der Biologe, am Blau der Füße erkennt das Weibchen, ob das lustige Kerlchen vor ihr trotz seiner scheinbar unbeholfenen Bewegungen gut und richtig ernährt und damit der richtige Vater des künftigen Nachwuchses ist.
Das scheint in unserem Fall offenbar so zu sein und schon bald beginnt ein sehr spezieller Balztanz. Das Männchen pfeift, das Weibchen stöhnt, beide breiten ihre Flügel aus und strecken ihre Schnäbel in die Luft. Das geht eine gewisse Zeit so, und dann geht alles ganz schnell, ohne Scham, direkt vor unseren Füßen.
Damenwahl aus der Luft
Es ist nicht nur das einzelne Blaufußtölpelpärchen, das wir so erleben, sondern es sind noch sehr viele, die wir heute sehen. Balzende und brütende Paare, alle irgendwie lustig, wie sie so in ihrer typischen Art herumwatscheln und uns mit ihren starren Augen anschauen. Aber in ihrem eleganten Flug faszinieren sie uns sehr, und ganz besonders, wenn sie sich in Formation ins Meer stürzen, um Fische zu jagen.
Schon wenige Schritte weiter zieht eine andere Vogelart uns in ihren Bann. Mit ausgebreiteten Flügeln und aufgeblasenem, scharlachroten Kehlsack sitzen die großen Fregattvogel-Männchen auf verschiedenen Bäumen und machen mit lauten, schnarrenden Geräuschen auf sich aufmerksam. Wen wollen sie für sich interessieren?
Ein Blick nach oben zeigt die Lösung: In den Lüften drehen elegant die „Damen“ ihre Bahnen und schauen sich in aller Ruhe die aufgeplusterten „Herren“ an. Wessen Rot leuchtet am kräftigsten? Gelassen treffen sie dann ihre Wahl und fliegen zu ihrem Wunschpartner.
Ob sich das auserkorene Männchen wirklich freut, können wir nicht erkennen, aber beide beginnen direkt mit dem Nestbau für den zukünftigen Nachwuchs.
„Dry“ or „Wet Landing“?
Beim abendlichen Briefing an Bord der M.V. Eclipse ist das eine wichtige Frage, denn sie bestimmt das Outfit und das Schuhwerk des nächsten Tages. Auf den kleinen Inseln an einsamen Stränden erfolgt jedoch fast immer ein „Wet Landing“, was bedeutet, vom Panga aus durchs Wasser an Land zu waten.
Die M.V. Eclipse mit ihren 26 Kabinen ist kein Kreuzfahrtschiff, das lerne ich schnell. Sie ist ein Expeditionsschiff, allerdings auf hohem Niveau. Das zeigen nicht nur die Größe und die komfortable Einrichtung der Kabinen, sondern auch der exzellente Service an Bord, die gepflegte und gute Küche, die vorhandene Schnorchelausrüstung für jeden Passagier und die Anzahl an „Naturalisten“ an Bord – max. 12 Passagiere pro Naturforscher und Panga.
Expeditionsschiff deshalb, da ein ambitioniertes und natürlich auch sehr spannendes Programm angeboten wird, das nur wenig Zeit zum Verschnaufen lässt. Es geht leger zu an Bord. Man erforscht die Inseln, man schnorchelt zusammen, man isst gemeinsam, ohne feste Plätze, und so wird man im Laufe der Woche fast ein Team, das die gemeinsamen Erlebnisse teilt.
Ein schönes Schiff, mit noch richtigen Planken aus Holz, wie ich sie liebe.
Zu Lande und zu Wasser
Nicht nur die Vögel haben mich auf den Galapagos Inseln begeistert, es ist auch die Vielfalt der unterschiedlichen Inseln – mal flache, mal steile; Vulkane und Lagunen, weiße Strände und schwarze Lavafelder.
Unerwartet sind die grazilen Flamingos und die flinken Pinguine. Entsprechend der Jahreszeit in großer Zahl anzutreffen sind die an Land etwas plump und schwerfällig wirkenden Albatrosse. Monogam veranlagt, versuchen sie durch kräftiges Geklapper der Schnäbel ihren Brutpartner des Vorjahres nach der langen, getrennten Reise zurück vom Festland wiederzuerkennen.
Starts und Landungen der Albatrosse haben uns sehr belustigt. Diese Vögel haben regelrechte „Runways“, auf denen niemand brütet, in ihren Kolonien. Und ab und zu überschlägt sich sogar solch ein großer Vogel bei der Landung. Beim Start eines Albatros musste ich schmunzelnd an den alten Walt Disney Zeichentrickfilm „Bernard und Bianca“ denken, in dem die beiden Mäuse mit einem Albatros, der Albatros Airline, geflogen sind. Die Zeichner haben den Startvorgang des schwergewichtigen Vogels gut beobachtet und pointiert dargestellt.
Die Galápagos Inseln sind natürlich auch für ihre steinalten Landschildkröten bekannt. „Lonesame George“ heißt der älteste Vertreter, dessen Alter auf zwischen 100 und 150 Jahren geschätzt wird. Inzwischen lebt er nicht mehr in freier Wildbahn, sondern in der Darwin Forschungsstation in Puerto Ayora auf der Hauptinsel Santa Cruz.
Aber noch mehr beeindruckt hat mich die wilde Riesenschildkröte (vielleicht war sie nur 75 Jahre alt, aber das war mir egal), als sie unerwartet aus dem hohen Gras erschien und die Straße im Hochland von Santa Cruz querte.
Genauso faszinierend waren die großen Seeschildkröten, die wir beim Schnorcheln sahen. In großen Gruppen scheinen sie trotz ihres Gewichts fast schwerelos durchs Wasser zu schweben.
Die Meerechsen – im Wasser sahen wir sie nicht – dafür aber zu Massen sich sonnend an Land, in ihrer grauschwarzen Farbe oft kaum vom Fels- oder Lava-Untergrund zu unterscheiden. Fast wäre ich auf ein solches Rudel getreten, dass nach der Futtersuche im kalten Meer unbeweglich in der Sonne liegt und sich erwärmt. Diese Art gibt es nur noch auf den Galápagos Inseln.
Die Land-Leguane, die wir auf vielen Inseln antrafen, sind farbig, meist in einem gelblichen Ton. Sie gehören zu den bekanntesten Tieren des Galápagos Archipels und haben mich immer wieder fasziniert durch ihren geradezu „steinernen Gesichtsausdruck“. Da sie den Menschen nicht fürchten, kann man ganz nahe an sie heran und ihre urzeitliche Panzerung genau studieren.
Das einzig Bewegliche scheinen die Augenlider zu sein. Lange schaue ich einen an und bilde mir ein, er habe mir zugezwinkert.
Es hustet im Gebüsch
Ohne die Seelöwen sind die Galápagos Inseln undenkbar. Sie treten in großen Mengen auf und sind an den seltsamsten Plätzen anzutreffen. Ich fand es normal, dass sie am Sandstrand liegen, die Weibchen mit ihren schmatzend saugenden Jungen. Dass sie zerklüftete und steile Felsküsten heraufklettern können, um einen idealen Platz zum Schlafen und Sonnenbaden zu finden, war mir neu. Sogar eine Felswand von 12 – 15 m Höhe schien ihnen kein Problem zu bereiten. Aber der für mich erstaunlichste Schlafplatz eines Seelöwen war ein quer freihängender Baumstamm in den Mangrovenwäldern der Insel Isabel.
Auch die Seelöwen nehmen keine Notiz von uns Menschen. Sie liegen am Strand. Manchmal sucht ein Junges schluchzend seine Mutter. Ältere Tiere stoßen ab und zu einen abgehackten Schrei aus. Aber richtiggehend erschreckt habe ich mich, als auf dieser Insel, auf der kein Mensch lebt, plötzlich ein „menschliches“ Husten aus dem Gebüsch kommt.
„Auch so kann ein Seelöwe tönen“ lacht unser Naturalist Davíd.
Neugierig sind sie sehr, diese Seelöwen, die so elegant durchs Wasser gleiten. Immer wieder taucht neben, vor oder hinter dem Panga ein vorwitziger Seelöwenkopf aus dem Wasser. Die großen, kugelrunden Augen scheinen genau zu beobachten, was vor sich geht.
Anders die ganz kleinen Seelöwenbabys, sie tauchen plötzlich in kleinen Gruppen auf und sind völlig verspielt. Sie sind sofort bereit, mich als Schnorchler in ihr Spiel einzubeziehen. Sie stupsen mich an, fordern mich auf, provozieren manchmal und sind aber dann doch irgendwie enttäuscht, dass ich nicht so schnell und wendig bin wie sie.
Im Bann der Eindrücke
Nach einer Woche Expedition kommen wir wieder zurück in die Zivilisation. Eigentlich steigen wir direkt vom Panga in den Jet, der uns zurück aufs Festland bringt. Welch ein Kontrast!
Noch ganz im Bann der unzähligen neuen Eindrücke schaue ich auf die einsamen Inseln im Pazifik herab während unser Flugzeug langsam an Höhe gewinnt.
Reisebericht von www.arte-reisen.de