So gar nicht entsprach das Wetter dem neuen Motto von Bulgarien, Kälte und Regen in Sofia, Schnee im Balkan-Gebirge, sonst hat man um diese Zeit oft noch bis 15 Grad Plus. Der Einfluss des stellvertretenden Ministers für Wirtschaft, Energie und Handel, Ivo Marinov reichte dann doch nicht soweit, das kurzfristig zu ändern. Auf einer Pressekonferenz im „Grand Hotel“ der Hauptstadt Sofia stellte Marinov das neue Motto vor, um Bulgarien als ganzjähriges Reiseziel hauptsächlich bei Touristen aus Deutschland, Großbritannien und Russland bekannter zu machen. Deutschland ist der drittgrößte Touristenlieferant, ca. 740 000 in 2009. Bulgarien wird sich im nächsten Jahr in 7 deutschen Städten mit einer Werbeaktion, die sich speziell an Menschen mittleren Alters richtet, vorstellen. Tourismus in Bulgarien verteilt sich zurzeit auf ca. 75 % Meer, 15 % Winter und 10 % auf das restliche Land. Das soll sich ändern, denn das Land bietet viel mehr als nur Badeurlaub am Schwarzen Meer. Gefördert werden sollen u.a. Projekte des kulturhistorischen Tourismus, Ökotourismus, Spa und Wellness, Wandern und Erholung, Feinschmecker- und Weintourismus. Immerhin hat Bulgarien 40 000 Kulturdenkmäler, 7 davon stehen in der UNESCO-Liste, in der Förderung von Mineralwasser steht das Land an 2. Stelle in der Welt. Sofia z.B. ist schon seit langem berühmt für seine Thermalquellen, die heute im Zentrum sowie in den Stadtvierteln Kniazevo, Gorna Bania, Bankia Cveceh und Ivaniane zu finden sind. Das Geld für die Entwicklung des Tourismus, immerhin 4 Millionen Euro, kommt aus dem Operationellen Programm 2007-2013 „Regionale Entwicklung“ (www.bgregio.eu) der europäischen Union, 1.4 Millionen davon will man speziell für den deutschen Markt aufwenden. Insgesamt soll der Tourismus so in den nächsten drei Jahren um 5 % steigen.
In Bulgarien leben ca. 8 Millionen Einwohner, ca. 1,5 Millionen davon in Sofia, wahrscheinlich aber viel mehr. Sofia ist im bulgarischen Hochland gelegen und grenzt im Süden an das Witoscha Gebirge. 50 km nördlich ist das Balkangebirge, dessen Gipfel bei guten Wetterbedingungen vom Stadtkern aus zu sehen sind. Die Landschaft um die bulgarische Hauptstadt unterscheidet sich deutlich vom Rest des Landes, das von weitläufigen Feldern und Mittelgebirgslandschaften geprägt ist.
Bulgariens Hauptstadt bietet viel für Jung und Alt: Museen, den Stadtpark, die grüne Oase Sofias,
architektonische Meisterwerke der Jahrhundertwende und vieles mehr. Das Gebiet der Stadt ist ein uralter Kulturraum, Besiedlung lässt sich für mehr als 5000 Jahre nachweisen, lange waren die Römer hier, die von den Türken abgelöst wurden. Gut erhaltene Reste früher Besiedlung kann man gut im Innenhof der Präsidialverwaltung besichtigen, auch eine der ältesten Kirchen. Wahrzeichen der Stadt ist die Alexander-Newski Kathedrale mit den goldenen Dächern, geliebt von der Bevölkerung, weil russische Truppen seinerzeit die Osmanen vertrieben, daher auch heute noch die traditionell guten Beziehungen zu Russland. Sehenswert sind weiter der ehemalige Zarenpalast, -die heutige Nationale Kunstgalerie-, das Ethnografische Museum, das Nationalmuseum für Geschichte in der Regierungsresidenz „Bojana“, ein relativ junges Museum namens „Die Erde und die Menschen“, der traditionsreiche Banski-Platz mit der Moschee und der Synagoge, das Nationaltheater „Ivan Vasov“ und ganz allgemein die Straßen und Gebäude, teils im wuchtigen „Stalin-Stil“, im leichteren „Wiener-Mode-Stil“, aber auch mit hässlichen Plattenbauten aus der kommunistischen Zeit. Erholungsmöglichkeiten bieten viele Parks und Grünflächen, ein gutes Dutzend Theater und Bühnen zeigen interessante Produktionen, allerdings ist bulgarisch nicht so leicht zu verstehen. Interessant ist der „Flohmarkt“ auf dem Platz vor dem Denkmal des unbekannten Soldaten, die Preise liegen im „Niedriglohnsektor“. Etwas anders sieht das in den Hauptgeschäftsstraßen wie Boulevard „Vitoscha“ aus, oder besser in den üblichen Einkaufszentren am Rande der Stadt. Mitbringen kann man gut Handgearbeitetes nach Landestradition, Handgestricktes oder Gesticktes auf dem Alexander-Newski-Platz von den Meisterinnen persönlich erwerben. Ein unbedingtes Muss als Mitbringsel ist alles was bulgarisches Rosenöl enthält, Kosmetik, Seifen, Kerzen oder in reiner Form als Öl oder Rosenwasser.
Irgendwann meldet sich der Magen und da bietet Sofia alles für jeden Geschmack, durchweg preiswert im Allgemeinen. Traditionell beginnt man mit einem Schopska-Salat, mit Schafskäse gefüllte Paprikaschoten, Auberginenpüree, Jogurthsuppe, Bohnensuppe usw. Lammgerichte sind zu empfehlen, Gegrilltes aller Art, Schaschlik, Hackfleischröllchen oder Baniza, Blätterteiggebäck, gefüllt mit Schafskäse und Eiern oder eigentlich allen Gemüsen und Kräutern. Traditionelle Hartwürste wie Sudschuk, Lukana oder Babek sind überaus lecker. Dazu trinkt man gerne gutes einheimisches Bier diverser Marken und Arten und einen der bekannt guten bulgarischen Rotweine wie Mavrud, Cabernet, Gamza oder Merlot aus Melnik. Die kann man auch gerne bei Weinverkostungen in aller Ruhe probieren, auch gut und mit seltenen regionalen Traubenarten in Städten außerhalb Sofias. Die Nachtischpalette bietet Gebäck –fast immer mit Honig, hier merkt man noch den langen türkischen Einfluss-, diverse Cremes und immer und überall gehört dazu ein Trauben- oder Pflaumenschnaps, die wieder und wieder nach mehr schmecken.
Sofia zu verlassen ist gar nicht so einfach, zu viel Verkehr auf nicht ausreichenden Straßen, auch die Autobahn entspricht nur teilweise den Anforderungen. Ansonsten läuft der Verkehr auf zwar recht guten, aber nicht immer leistungsfähigen Straßen, vergleichbar mit schmalen deutschen Bundesstraßen. Achtung! Es gibt viele Radarfallen „Starenkästen“, sehr oft vor Tankstellen oder Rastplätzen angebracht, man sollte sich wirklich an die Geschwindigkeitsvorgaben halten!
Etwa 3-4 Stunden, 240 km entfernt von Sofia, liegt Veliko Turnovo, zwischen dem 12. bis 14. Jahrhundert die Hauptstadt von Bulgarien. Dramatisch eingebettet zwischen den tiefen Schluchten des Yantra Flusses, Felsen und bewaldeten Hängen klebt die Stadt förmlich an den Abhängen. Sie gehört zu den meistbesuchtesten Städten Bulgariens, besonders auch beliebt bei Rucksacktouristen, da hier der Zug auf dem Weg von Bukarest nach Istanbul hält. Abwechslungsreiche Architektur, viele besuchenswerte Kirchen und alte Holzhäusern findet man in den beliebten Straßen Samovodskata Charshiais und Gurko Straße. Dort gibt es viele kleine Handwerksgeschäfte, Läden, Schumacher, Schmiede usw. und Einkehrmöglichkeiten, wo „Mechana“ dran steht, findet sich eine Weinschänke, da kann man auch gut essen. In der Gurko Straße hat man die Häuser förmlich ineinander und übereinander gebaut, das sieht schön und romantisch aus. Ein typisches Juwel dort ist das Sarafkinata Haus, jedes Stockwerk anders eingerichtet, in der vierten Etage gibt es Ausstellungen mit nationaler Folklore. Überragt wird die Stadt von zwei riesigen Festungsanlagen auf den Tsarevets und Trapezitsa Hügeln. Die Tsarevets Zitadelle kann man bequem von der Innenstadt erreichen, man braucht Zeit um sich alles anzuschauen, so den Palast der bulgarischen Könige, die Palastkirche St. Paraskeva und die Residenz der bulgarischen Patriarchen und die schönen Mosaike. Die Festung auf dem Trapezitsa Hügel windet sich dramatisch mit starken Mauern über dem Yantra, 17 Kirchen hat man früher hier errichtet, ein Kloster dazu. Viel zu laufen, aber auch viel zu sehen. Am Abend sollte man sich ein nettes Restaurant mit einer Aussichtsterrasse auf die Tsarevets Festung suchen, denn dort findet eine audio-visuelle Show „Sound and Light“ statt, die wirklich beeindruckend ist. Ähnliches gibt es nur an den Pyramiden oder in Luxor. Die Show gibt es aber nicht an jedem Abend, also vorher erkundigen.
Nicht weit entfernt von Veliko Turnovo liegt die Ortschaft Arbanassi, sie hat den großartigen Geist ihrer Vergangenheit bewahrt, riesige Häuser wie Schlösser mit ausgedehnten Höfen, umgeben von hohen Mauern. Anschauen sollte man sich das Konstantsalievs Haus, eigentlich schon eine richtige Festung aus dem 17. Jahrhundert, voll eingerichtet atmet es den Geist der Zeit. Reichtum ist förmlich sichtbar im Hadzhiilievs Haus aus der gleichen Zeit, verschwenderisch ausgestattet und dekoriert.
Sehr sehenswert sind die sieben orthodoxen Kirchen, besonders erstaunlich ist die Metropolitenkirche „Geburt Christi“ mit 3500 Wandmalereien besonderer Güte und Intensität. Völlig unscheinbar von außen, kann man locker hier Stunden verbringen und die faszinierenden Malereien im Ikonenstil betrachten, die um das Jahr 1681 fertiggestellt wurden, das älteste Bild ist von 1597. Am Eingang gibt es ein kleines Heftchen in deutscher Sprache zu kaufen und damit von Bild zu Bild gehen. Auf über 2000 qm sind alle Wände, Decken und Bögen bemalt, dargestellt sind das Leben Christi, Marias Leben und Himmelfahrt, Szenen aus dem Leben von Heiligen, Märtyrern und Hochwürden. Es gibt sehr schöne Holzschnitzereien, eingebettet darin Malereien aus der Weltschöpfung, beeindruckend das Gottesgericht, erschreckend die Abbildungen mit Foltern von Sündern. Ungewöhnlich ist eine Art Stammbaum „Wurzeln Jesse“ mit Bildern von ganzen Körpern von antiken Zaren und griechischen Philosophen wie z.B. Pythtagoras, Sokrates, Homer, Platon usw. Es gibt Szenen aus dem Leben und Wirken von Johannes dem Täufer und allen Heiligen des christlichen Jahres, ein besonderes Ensemble mit abschreckenden Szenen „Das eitle Leben in einer falschen Welt“ und das besonders interessante „Lebensrad“. Schließlich finden sich noch Bilder mit Themen aus dem Alten Testament, sogar sieben Szenen aus ökumenischen Konzilien. Eine wirklich unglaubliche Arbeit, auch wenn man gar nicht christlich ist, beeindruckt die schiere Fülle von Farben und Ausgestaltungen. In der ganzen überwältigenden Pracht sind diese vorzüglichen Malereien für mich ganz sicher es wert, in die UNESCO-Liste aufgenommen zu werden. Gut 40 km entfernt liegt Trjavna, eine Art Museumsstadt, die den Charme des 18. Jahrhunderts ausstrahlt, besonders in den gut erhaltenen ca. 140 Häusern mit reichhaltigen Holzschnitz-Dekoren aus dieser Zeit. Schmale Straßen mit dem typischen Kopfsteinpflaster, steinerne Bogenbrücken und natürlich die pittoresken Kirchen versetzen den Besucher zurück in die Zeit, als diese kleine Stadt das Zentrum der religiösen Holzschnitzkunst war. Die Ergebnisse dieser Kunstfertigkeit kann man in einem kleinen Museum bewundern, eine Schule für Holzkunst gibt es heute noch, die Tradition wird fortgesetzt. Natürlich kann man in den Straßen in kleinen Läden und Handwerksbetrieben Geschnitztes erwerben, neben viel Folklore gibt es auch Kitsch, wählen muss man selbst. Was kann man noch in der Nähe besuchen? Sicher einen Besuch wert ist das Kloster Sokolski, eine Oase der Ruhe und Erholung, in dem man auch übernachten kann, das architektonisch-ethnografische Freilichtmuseum Etara, Bulgarien wie es vor 150 Jahren war, mit steinernen Brunnen, Wassermühlen, Holzhäusern mit Handwerksbetrieben, wo man selbst diverse Fertigkeiten erlernen kann, oder die Ortschaft Bozhentsi mit den Häusern der reichen osmanischen Siedlern aus dem 18. Jahrhundert.
In all den genannten Orten gibt es durchweg neue Hotels, die gut eingerichtet sind und wo man gut speisen kann, der Standard entspricht meist den deutschen Qualitätsvorgaben, sicher beruhigend nach den anstrengenden Fahrten auf den zumeist sehr engen und kurvigen Straßen. Sicher umfassender entdecken ließe sich diese schöne Gegend, die noch viel mehr Sehenswürdigkeiten bietet als man hier beschreiben kann, wenn man die Verkehrswege besser ausbauen würde.
Bulgarien bietet enorm viel mehr als eben nur Remmi-Demmi am Goldstrand, aber die Entdeckungen kosten Zeit, man muss einfach mehrmals hinfahren. Das Potential ist da und der neue Masterplan der Regierung der richtige Weg um Bulgarien zu öffnen und zu entdecken, im Großen und Ganzen wird das Land aber noch für lange Zeit (außer der Schwarzmeerküste) ein „Geheimtipp“ bleiben. Vielleicht aber keine schlechte Aussicht für die Zukunft, touristisch zu Grunde gerichtete Landschaften gibt es in Europa schon genug.
Mehr Informationen unter www.bulgariatravel.org