Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat im Rahmen von Ermittlungen gegen in Deutschland stationierte Ryanair-Piloten einen englischen Personaldienstleister und dessen Geschäftsräume in einem Vorort von London durchsucht. Bei der Personalagentur handelt es sich nach Informationen von WDR, NDR und SZ um die Firma Brookfield Aviation International.
Bei den Durchsuchungen soll demnach auch ein deutscher Staatsanwalt anwesend gewesen sein. Brookfield vermittelt im großen Stil Piloten an die Billigfluggesellschaft. Es geht um den Verdacht von Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung.
„Aufgrund der entsprechenden Verordnungen der Europäischen Union unterliegt dieses Flugpersonal nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen dem deutschen und nicht dem britischen oder irischen Sozialversicherungsrecht“, so die Staatsanwaltschaft. Ryanair sieht das anders. Es gelte weder englisches noch deutsches, sondern ausschließlich EU-Recht. Im übrigen gehe man davon aus, dass sich alle Geschäftspartner an geltendes Recht halten. Brookfield wollte die Durchsuchungen weder dementieren noch bestätigen.
Für den irischen Lowcostcarrier fliegen derzeit nach einer Studie der Universität Gent rund 3000 Piloten, von denen mehr als die Hälfte nicht direkt bei der Billigfluglinie festangestellt sind. Sie werden stattdessen von Personalagenturen wie Brookfield vermittelt und von diesen aufgefordert, mit Hilfe ausgewählter Kanzleien Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach irischem Recht zu gründen. Die Piloten sind dann formal Geschäftsführer ihrer eigenen Firmen und arbeiten selbständig für die Airline.
Eine Studie der Universität Gent, in Auftrag gegeben von der Europäischen Kommission, zeigt deutlich, dass solche „atypischen Beschäftigungsverhältnisse“ wie bei Ryanair auch bei anderen europäischen Billigfluggesellschaften zunehmen. Der Präsident der European Cockpit Association, Dirk Polloczek, sagte gegenüber der Recherchekooperation: „Die Konsequenzen daraus sind sehr vorteilhaft für die Airlines, die auf solche Beschäftigungsmodelle zurückgreifen. Sie haben die volle Flexibilität. (…) Die Nachteile trägt der Pilot, der hier an der Stelle ständig quasi in der Unsicherheit lebt, hab ich denn Morgen noch einen Job?“
Auch der Vorsitzende des Transportausschusses im EU-Parlament, Michael Cramer (Die Grünen), ist alarmiert. Offensichtlich seien die Airlines bestrebt, die Kosten für das Personal erheblich zu senken. Das führe zu absurden Verhältnissen, sodass man sich auch um die Sicherheit sorgen müsse. Er fordert „klare Beschäftigungsverhältnisse und nicht, dass ein Pilot quasi Selbständiger ist.“ Ryanair versichert, es gebe bei ihnen keine kranken Piloten im Cockpit.
In Dublin hat Ryanair heute seinen Gewinn vom abgelaufenen Geschäftsjahr verkündet: unter dem Strich 867 Millionen Euro und damit fast zwei Drittel mehr als im Vorjahr. Im laufenden Jahr soll der Überschuss noch weiter steigen: auf 940 bis 970 Millionen Euro.
Quelle: WDR Westdeutscher Rundfunk