Auswirkungen von COVID-19 auf die Luftfahrtindustrie

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Länder verhängen Reiseverbote, Unternehmen satteln auf Video-Konferenzen um. Urlaubsreisen oder ein Flug zum nächsten Kundentermin sind zurzeit undenkbar. Die Konsequenz: Flieger bleiben leer, Fluggesellschaften streichen Flüge oder stellen den Betrieb gar komplett ein.

„Kaum eine Branche wurde so hart von COVID-19 getroffen, wie die Luftfahrtindustrie. Und kaum eine Branche wird sich länger mit den Auswirkungen auseinandersetzen müssen,“ sagt der Luftfahrtexperte und Kearney Partner Sven Rutkowsky. Doch wie wird die Luftfahrtindustrie nach COVID-19 aussehen? Ein Expertenteam von Kearney hat mit der Studie „Future of Aviation“ einen Blick in die Zukunft geworfen und ein mögliches Szenario entworfen.

Im Dezember 2019 prognostizierte die International Air Transport Association (IATA) ein gutes Jahr 2020 mit einem Wachstum von 4%. Im März 2020 korrigierte sie ihre Prognose aufgrund von COVID-19 auf einen Rückgang von fast 40%. „Diesen Rückgang halten wir für realistisch. Für 2021/22 erwarten wir einen Nachholbedarf für Privatreisen, während Kürzungen bei Geschäftsreisen zu einer neuen Normalität von -10% bis -20% im Vergleich zur Vorkrise führen werden. Insgesamt gehen wir davon aus, dass erst 2024 oder 2025 wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird“, fasst Kearney Partner Carsten Gerhardt die Prognose seines Teams zusammen. Die tatsächliche Entwicklung wird stark vom Verlauf der COVID-19-Pandemie und der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Bei ihrem Szenario gehen die Experten davon aus, dass die Pandemie Anfang nächsten Jahres eingedämmt wird und die Grenzen geöffnet werden.

Die Kearney Experten haben Gespräche und Befragungen mit Führungskräften und Kunden der Airline-Branche aus Deutschland, Großbritannien, den USA und Hongkong durchgeführt. Demzufolge bestehen keine Zweifel, dass sich nach der Krise Unternehmensrichtlinien, die berufliche Flugreisen betreffen, erheblich ändern werden. „Wir erwarten einen deutlichen Rückgang der Geschäftsnachfrage im Vergleich zum Vorkrisenniveau, der durch die strengere Reiserichtlinie der Unternehmen ausgelöst wird, um die Kosten zu senken und ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, so Philipp Bensel, Co-Autor der Studie. Im privaten Reisebereich hingegen sei zu erwarten, dass einige Menschen nach wochenlanger Sperrung den Drang zu reisen verspüren. Es gebe viele Gründe Reiseentscheidungen in Zukunft bewusster zu treffen: 1. die eigene wirtschaftliche bzw. finanzielle Situation, 2. Gesundheits- und Sicherheitsbedenken, 3. die Nachhaltigkeitsdebatte rund um den globalen Klimaschutz und 4. wiederentdeckte Vorliebe für regionale Reiseziele.

Vor dem aktuellen Hintergrund sind die derzeitigen Einnahmequellen für viele Fluggesellschaften auf fast null oder negativ gesunken. Ihr Überleben hängt nun stark von der staatlichen Unterstützung ab. Im Allgemeinen haben die Regierungen drei Möglichkeiten: Fluggesellschaften Liquidität über Kredite oder Zuschüsse anzubieten, sie zu verstaatlichen oder sie einfach scheitern zu lassen. Um zu entscheiden, welche Fluggesellschaften wahrscheinlich den größten Teil des staatlicher Unterstützungsprogramme erhalten, identifizieren die Autoren der Studie sechs Haupttreiber, die die Entscheidung beeinflussen:

-  Größe der Fluggesellschaft 
-  Rentabilität und andere wichtige Finanzdaten 
-  Anzahl der Fluggesellschaften im Heimatland 
-  Anteil des Geschäfts im Heimatland 
-  Finanzkraft des Staates 
-  Anteil des Staatseigentums.  

Für sehr wahrscheinlich halten die Kearney Experten, dass sich vor allem der europäische, stark fragmentierte Markt als Folge der COVID-19-Krise konsolidieren wird. „Wir erwarten in Europa eine „3 + 2-Konsolidierung“. Das bedeutet, dass die drei großen Hub- und Spoke-Fluggesellschaften (Lufthansa, IAG, Air France-KLM) und die beiden Punkt-zu-Punkt-Fluggesellschaften (Ryanair und Easyjet) Marktanteile gewinnen werden, während andere Fluggesellschaften zusammenbrechen. Einige Regierungen werden stark in ihre staatlichen Transportunternehmen investieren. Die Zukunft mehrerer mittelgroßer Fluggesellschaften ist hingegen derzeit mehr als ungewiss. Wir gehen davon aus, dass einige Staaten ihre Heimatgesellschaft loslassen müssen, auch wenn diese eine Tradition von oft mehr als 50 Jahren haben“, sagt Bensel.

Für Fluggesellschaften, die es durch die Konsolidierungsphase schaffen, ist die Krise eine Chance. Die Korrektur könnte sich positiv auf das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage sowie auf die wirtschaftliche Situation der verbleibenden Fluggesellschaften auswirken. Dies kann der gesamten Branche helfen, eine schon lange vorhandene Erkenntnis jetzt in Veränderung umzusetzen: dass für eine nachhaltige Zukunft extrem niedrige Sitzplatzpreise weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll sind.
Quelle: Kearney
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