70 Prozent der Beratungen des telefonischen Reiseservices der Deutschen Bahn AG führen zu einem optimalen Ergebnis für die Kundinnen und Kunden. In rund 30 Prozent der Fälle wird den Anrufenden dagegen eine ungünstige Reiseempfehlung gegeben, meist ist die angebotene Verbindung zu teuer. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des VCD Bahntest 2008, den der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) heute in Berlin vorgestellt hat.
Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender: „Das Ergebnis des VCD Bahntest 2008 kann aus Sicht der Kundinnen und Kunden nicht zufriedenstellen. Wer bei der Bahn anruft, um eine Fahrkarte zu kaufen, geht davon aus, dass er gut beraten wird und die beste Reiseempfehlung bekommt. Doch statt individueller Beratung steht bei der telefonischen Reiseauskunft der Deutschen Bahn AG offensichtlich ein möglichst schneller Verkaufsabschluss im Vordergrund. Hier muss die Bahn die Prioritäten im Interesse ihrer Kundschaft schleunigst umkehren.“
Nach den Ergebnissen des VCD Bahntest 2008 fehlt es dem Callcenter-Personal zudem an Fachwissen, was Preissystem, Tarife und Rabattmöglichkeiten betrifft. Besonders deutlich werde dies an der eklatanten Missachtung der Bahncard. So hätte bei zwei Dritteln der Testanrufe (67,1 Prozent) die Bahncard 25 angeboten werden müssen, der Kauf hätte sich schon allein für diese eine Fahrt gelohnt. Sie wurde aber insgesamt nur in 11 von 198 Fällen empfohlen, das entspricht einer Quote von unter sechs Prozent. Auch zur besonders günstigen Fan-Bahncard 25 zur Fußall-EM riet der Reiseservice insgesamt nur fünf Mal.
„Die Bahncard hilft nicht nur den Reisenden, kostengünstig unterwegs zu sein. Sie kann auch ein Instrument für die Bahn sein, ihre Kundinnen und Kunden dauerhaft für sich zu gewinnen. Insofern ist es völlig unverständlich, warum dieses gute Produkt in der Beratung derart vernachlässigt wird“, kommentiert Gehrmann. Gerade Telefonkunden seien nicht unbedingt Stammkunden, sondern häufig Erst- oder Neukunden. Gehrmann: „Die Empfehlung, sich eine Bahncard zu kaufen, könnte dazu beitragen, dass sie zu Stammkunden werden.“
Auch die telefonische Beratung mobilitätseingeschränkter Menschen lasse stark zu wünschen übrig. In Bezug auf die empfohlene Verbindung schnitten die entsprechenden Testberatungen etwas schlechter ab als die übrigen Beratungen. Vor allem fehle es jedoch an aktiven Hinweisen auf ausreichende Umsteigezeit und barrierefreie Zugänge. Letztere wurden den Testern nur in 16 Prozent der Fälle gegeben. „Formal erfüllt die Bahn zwar alle Voraussetzungen, um die besonderen Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Menschen zu berücksichtigen. In der Praxis zeigt sich aber, dass dieser Bereich noch viel zu wenig in der aktiven Beratungsarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verankert ist“, kritisiert Gehrmann.
Kritik übt der Umwelt- und Verbraucherverband VCD auch an Kostenstruktur und Transparenz der telefonischen Beratungsleistungen der Bahn. Hier erfülle die DB AG die offiziellen Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes zwar ebenfalls, indem Anrufende vor dem Gespräch über die Kosten pro Minute informiert würden. Doch zwinge das Unternehmen Kunden ganz bewusst, zuerst die überteuerte Auskunftsnummer 11861 zu wählen, die mit 1,80 Euro pro Minute zu Buche schlage.
„Da sich in den Informationen der Bahn nirgends eine direkte Telefonnummer vom Reiseservice findet, müssen die Kunden und Kundinnen zunächst die teure 11861 wählen, wenn sie Fahrkarten kaufen wollen oder Reiseinformationen benötigen“, erklärt Heidi Tischmann, Verkehrsreferentin des VCD. „Erst von dort werden sie zum eigentlichen Reise-Service weiterverbunden. Dabei gibt es eine eigenständige Telefonnummer vom DB Reise-Service. Die wird aber nicht kommuniziert.“ Nur durch intensive Recherche konnte der VCD ermitteln, dass der Reise-Service der Bahn auch direkt über die Nummer 0900/1507090 zu erreichen ist. Auf diesem Weg koste das Gespräch allerdings stolze 62 Cent pro Minute und sei damit viel teurer als nach der Weiterleitung von der 11861 aus. Dabei werde der DB Reise-Service mit 39 Cent pro Minute berechnet.
Tischmann: „Die Bahn lässt sich ihren telefonischen Service so oder so teuer bezahlen. Deswegen ist es ratsam, wenn möglich an einen DB-Schalter oder in ein Reisebüro mit Bahnlizenz zu gehen beziehungsweise das Internet zu nutzen.“ Die Deutsche Bahn AG nenne sich selbst den europaweit größten Mobilitätsdienstleister. Diese Bezeichnung ist nach Ansicht des VCD im Lichte der aktuellen Testergebnisse nicht gerechtfertigt. „Wirklich dienstleistungsorientiert und kundenfreundlich wäre eine zentrale und kostenlose Auskunftsnummer, von der aus dann zu den entsprechenden Diensten mit einheitlich niedrigen Gebühren weitervermittelt wird. Dafür muss die Bahn jetzt sorgen“, fordert Tischmann abschließend.
Wie schon in den vergangenen Jahren hatte der VCD das Hamburger Qualitätsforschungsinstitut Quotas mit der Untersuchung zum VCD Bahntest 2008 beauftragt. Speziell geschulte Testerinnen und Tester riefen bei unterdrückter Rufnummernerkennung die zentrale Auskunft der Bahn unter der Nummer 11861 an, um sich über Reisemöglichkeiten und Preise für Fernverkehrsreisen innerhalb Deutschlands beraten zu lassen. In der Zeit vom 7. bis 20. April 2008 wurden so insgesamt über 300 Telefonberatungen durchgeführt und anschließend ausgewertet.