Die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) haben entschieden: Eine mehr als geringfügige Vorverlegung eines geplanten Fluges durch ein Luftverkehrsunternehmen ist als eine Annullierung des Fluges mit dem gleichzeitigen Angebot einer anderweitigen Beförderung anzusehen. Das oberste deutsche Zivilgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2015 deutlich gemacht, dass dieses Vorgehen einen Ausgleichsanspruch begründen kann. Daraufhin hat das beklagte Luftfahrtunternehmen TUIfly den vom Fluggast geltend gemachten Anspruch auf eine Ausgleichsleistung anerkannt. Der Bundesgerichtshof hat ein entsprechendes Anerkenntnisurteil verkündet. Eine genaue Definition, ab wie vielen Stunden Vorverlegung ein Ausgleichsanspruch entsteht, erfolgte nicht.
Planungssicherheit für Passagiere:
Prof. Dr. Ronald Schmid, Experte für Reiserecht und Unternehmenssprecher des Verbraucherschutzportals FairPlane.de, begrüßt dieses Urteil: „Es stellt einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung der Fluggastrechte durch die Rechtsprechung dar. Gerade Luftfahrtunternehmen, die Flugdienste im sogenannten Ferienflugverkehr durchführen, versuchen immer wieder, ihre Flugdienste zu optimieren, indem sie Flüge streichen, zusammenlegen oder zeitlich verlegen. Dadurch entstehen den Fluggästen in aller Regel erhebliche Unannehmlichkeiten.“ Während inzwischen klar geregelt ist, dass Fluggäste, die mehr als drei Stunden verspätet befördert werden, in der Regel nach der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung eine Ausgleichsleistung fordern können, war bislang umstritten, ob dies auch bei vorverlegten Flügen gilt. Die Rechtsprechung der unteren Gerichte war sehr unterschiedlich. So hatten zum Beispiel das Amtsgericht und das Landgericht Hannover Ansprüche von Fluggästen verneint.
Urteil nur für Flüge aus oder nach Deutschland:
FairPlane bedauert jedoch, dass das aktuelle Urteil bislang nur Auswirkungen für Flüge aus Deutschland oder nach Deutschland haben wird. Für das Verbraucherschutzportal ist es nicht nachvollziehbar, dass das Luftfahrtunternehmen durch die überraschende Anerkenntnis der Ansprüche eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof vermieden hat. „Die Folge ist nun eine Wettbewerbsverzerrung überwiegend zu Lasten deutscher Luftfahrtunternehmen, weil davon auszugehen ist, dass nicht alle Gerichte in anderen Mitgliedstaaten die Rechtslage gleichermaßen beurteilen werden wie der deutsche Bundesgerichtshof. Damit wurde der erwünschten Rechtsvereinheitlichung ein Bärendienst erwiesen“, bilanziert Prof. Dr. Ronald Schmid.