Der weltweite Luftverkehr wuchs im ersten Halbjahr 2018 weiter, wenn auch etwas schwächer als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Auch die deutschen Flughäfen konnten trotz der Insolvenz der zweitgrößten Fluggesellschaft Air Berlin ein Wachstum verbuchen.
Dieses fiel jedoch mit 2,3 Prozent deutlich unterproportional aus, denn das weltweite Wachstum wie auch das europäische Wachstum lagen bei über 6 Prozent. Die Verkehrsleistung der deutschen Fluggesellschaften ging bedingt durch den Marktaustritt der Air Berlin um 3,6 Prozent zurück. In die entstandene Kapazitätslücke sind ganz wesentlich auch ausländische Fluggesellschaften vorgestoßen, sodass der Marktanteil der deutschen Fluggesellschaften an den deutschen Flughäfen weiter gesunken ist – von 59,7 Prozent auf 56,7 Prozent binnen eines Jahres.
Zu der gerade vorgelegten Halbjahresbilanz 2018 des BDL sagte Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL): „Wir begrüßen, dass das Flugangebot an den deutschen Flughäfen leicht gewachsen ist, obwohl die zweitgrößte Fluggesellschaft vom Markt verschwunden ist. Doch die Tendenz, dass deutsche Luftverkehrsunternehmen Marktanteile verlieren, setzt sich ungebremst fort. Wir haben leistungsstarke Fluggesellschaften und Flughäfen, doch unsere Unternehmen haben Sonderbelastungen zu schultern, die unsere Wettbewerber so nicht kennen. Es ist nun an der Politik, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, damit der Trend der erodierenden Marktanteile endlich gestoppt werden kann.“ Konkret forderte Scheurle das Ende des nationalen Alleingangs bei der Luftverkehrsteuer, eine Neuorganisation der im europäischen Vergleich weniger effizienten Sicherheitskontrollen sowie dass die Betriebszeiten an den deutschen Flughäfen nicht immer weiter eingeschränkt werden.
Zudem verwies Scheurle auf die gravierenden Kapazitätsengpässe in Deutschland und in ganz Europa, die gegenwärtig noch immer zu Unregelmäßigkeiten führen: „Die aktuelle Situation mit zunehmenden Verspätungen und Flugausfällen sowie langen Wartezeiten bei den Sicherheitskontrollen entspricht nicht dem Qualitätsversprechen und auch nicht dem eigenen Anspruch der Luftverkehrsbranche. In diesem Sommer erleben wir, dass die gegenwärtige Kapazität im europäischen Luftverkehr an vielen Stellen nicht mit der Nachfrage mitgewachsen ist und zunehmend an ihre Grenzen stößt. Diese Grenzen sind aber überwindbar, wenn alle Beteiligten intensiv daran arbeiten, die Kapazitätsengpässe zu beheben.“
Scheurle verwies darauf, dass Fluggesellschaften, Flughäfen und die Deutsche Flugsicherung ihre Anstrengungen verstärkt haben, um den Flugbetrieb in der gegenwärtigen Lage größtmöglich zu stabilisieren. Insbesondere im Hinblick auf die langfristigen Wachstumsprognosen forderte er auch staatliche Stellen auf, bei den von ihnen verantworteten Themen zu handeln: „Da, wo uns als Unternehmen die Hände gebunden sind, müssen auch Politik und Verwaltung tätig werden, damit die Infrastruktur nicht zum Flaschenhals wird: Die Kapazität im europäischen Luftraum sollte erhöht werden, die Sicherheitskontrollen sollten effizienter gestaltet werden und unsere Flughafeninfrastruktur sollte bedarfsgerecht ausgebaut werden.“
Die Ergebnisse des ersten Halbjahres 2018 im Einzelnen:
– Flughäfen: Die deutschen Flughäfen begrüßten in den ersten sechs Monaten des Jahres rund 112 Millionen Fluggäste und somit 2,3 Prozent mehr Passagiere als im Vorjahr. Insgesamt können die deutschen Flughäfen also positives Wachstum verbuchen. Dieses fällt jedoch deutlich schwächer aus als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, denn in den ersten sechs Monaten 2017 wuchsen sie um 6,4 Prozent. Beim Verkehr zu europäischen und internationalen Zielen konnten die Flughäfen Wachstum verzeichnen, der innerdeutsche Verkehr ging hingegen um fast 5 Prozent zurück. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die deutschen Flughäfen deutlich unterproportional gewachsen sind: Weltweit haben die Flughäfen 6,4 Prozent mehr Passagiere verbuchen können, im europäischen Durchschnitt waren es 6,7 Prozent. Wesentlicher Grund für die abnehmende Wachstumsdynamik in diesem Jahr sind vorübergehende Kapazitätsrückgänge infolge des Marktaustritts der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin.
– Fluggesellschaften: Deutsche Fluggesellschaften transportierten in den ersten sechs Monaten 2018 rund 73 Millionen Passagiere und somit 4,5 Prozent weniger als im ersten Halbjahr des Vorjahres. Während die weltweite Verkehrsleistung der Fluggesellschaften um 7,0 Prozent zulegen konnte und die europäischen Fluggesellschaften mit 6,3 Prozent wuchsen, ging die Verkehrsleistung der deutschen Fluggesellschaften um 3,6 Prozent zurück (Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2017 lag das Wachstum der deutschen Fluggesellschaften noch bei rund 6 Prozent). Dabei fällt die Insolvenz von Air Berlin besonders stark ins Gewicht, denn im ersten Halbjahr 2017 flog Air Berlin noch uneingeschränkt.
– Marktanteile: Das ohnehin unterproportionale Wachstum an den deutschen Flughäfen kommt im Wesentlichen von ausländischen Fluggesellschaften. Der seit Jahren anhaltende Trend, dass die deutschen Fluggesellschaften Marktanteile in ihrem Heimatmarkt verlieren, während ausländische Fluggesellschaften Kapazitäten aufbauen und ihre Position im deutschen Markt stärken, hält an und wird durch den Marktaustritt der Air Berlin noch einmal verschärft. So ist der Marktanteil der deutschen Fluggesellschaften an hiesigen Flughäfen von 66,1 Prozent im ersten Halbjahr 2012 auf nur noch 56,7 Prozent im ersten Halbjahr 2018 gesunken. Allein drei Prozentpunkte haben die deutschen Fluggesellschaften gegenüber dem ersten Halbjahr 2017 verloren.
– Low Cost: Das Wachstum an den deutschen Flughäfen wird weiter vom Low-Cost-Segment getrieben. In den ersten sechs Monaten des Jahres waren knapp 29 Prozent aller Flüge von deutschen Flughäfen Low-Cost-Flüge. Das waren 17 Prozentpunkte mehr als imersten Halbjahr 2012. Allein im Vergleich zum ersten Halbjahr 2017 ist der Anteil des Low-Cost-Segments um 5 Prozentpunkte gestiegen. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Kapazitätslücke, die durch die Air Berlin-Insolvenz entstanden ist, im Wesentlichen mit Low-Cost-Angeboten aufgefüllt wurde. Auch im Langstreckenmarkt spielen Low-Cost-Verkehre eine immer größere Rolle.
– Ticketpreise: Unmittelbar nach dem Marktaustritt der Air Berlin waren günstige Flugtickets nur begrenzt verfügbar, was zu einer vorübergehenden Steigerung der Preise gerade im innerdeutschen Verkehr geführt hat. Mittlerweile sind die Ticketpreise wieder gesunken und auf einem historischen Tiefstand angekommen. Laut Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts lag das Preisniveau im Juni unter dem des Vorjahres: Innerdeutsche Flüge kosteten 4,3 Prozentpunkte weniger als im Juni 2017, Flugtickets zu europäischen Zielen 3,0 Prozentpunkte weniger und Tickets zu interkontinentalen Zielen 7,1 Prozentpunkte weniger. Die gesunkenen Ticketpreise lassen sich vor allem darauf zurückführen, dass Anbieter aus dem In- und Ausland die durch die Insolvenz entstandene Kapazitätslücke seit Jahresbeginn sukzessive auffüllen: Schon im Oktober dieses Jahres, also noch in der laufenden Flugplanperiode, wird das Flugangebot ab deutschen Flughäfen 7,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahres liegen.
– Flugbewegungen: Das Wachstum der durch die DFS Deutsche Flugsicherung kontrollierten Flugbewegungen nähert sich einem neuen Rekordwert. Im ersten Halbjahr 2018 gab es bereits 1,59 Millionen Flugbewegungen im deutschen Luftraum, das sind 3,2 Prozent mehr Flugbewegungen als im ersten Halbjahr 2017.
– Kapazitätsengpässe: Im laufenden Jahr werden deutlich mehr Flugbewegungen abgewickelt als prognostiziert. In diesem Kontext kommt es zurzeit in Deutschland wie in ganz Europa zu Kapazitätsengpässen, die in der Folge zu Verspätungen und Flugstreichungen führen. Nach Angaben von Eurocontrol wurden noch im Januar weniger Verspätungen als im Vorjahr gemeldet, seitdem jedoch durchgehend mehr Verspätungen als im Vorjahr: So betrug die durchschnittliche Verspätungszeit eines Fluges im Juni in Europa 17,5 Minuten (Vorjahr: 13,1 Minuten). Im gleichen Monat waren 6,5 Prozent aller Flüge in Europa um mehr als eine Stunde verspätet (Vorjahr: 4,0 Prozent). Für diese Häufung von Unregelmäßigkeiten gibt es mehrere Gründe, die sich gegenseitig verstärken: fehlende Kapazitäten durch die noch nicht vollendete Air Berlin-Integration, Streiks bei Luftverkehrsunternehmen und Dienstleistern, Wetterereignisse wie z.B. Gewitter, Kapazitätsengpässe im europäischen Luftraum, unflexible Betriebszeiten an deutschen Flughäfen sowie lange Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen.
Seit 2015 legt der BDL regelmäßig zweimal im Jahr Kennzahlen zur Lage der deutschen Luftverkehrswirtschaft vor. Die Zahlen umfassen die Entwicklung der deutschen Luftverkehrsunternehmen und ordnen diese anhand von internationalen Vergleichszahlen ein. Zu diesem Zweck zieht der BDL unterschiedliche aktuelle Quellen heran: die konsolidierten Zahlen der BDL-Mitgliedsunternehmen, die Ergebnisse der ADV-Statistik sowie die Zahlen der IATA zur weltweiten Entwicklung.
Quelle: Bundesverbande der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)
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