Angesichts der neuerlichen Kostenerhöhungen und Bauzeitverschiebungen bei gleichzeitig immer deutlicher zu Tage tretenden ungelösten Sicherheits- und Leistungsfähigkeitsfragen fordert der Landesverband Baden-Württemberg des ökologischen Verkehrsclubs VCD eine Grundsatzdiskussion zu Stuttgart 21:
„Die neuerlichen Verzögerungen und die Steigerung der Baukosten zeigen, dass die Bahn – allen Versprechungen zum Trotz – das Projekt Stuttgart 21 nicht im Griff hat. Anders als der Bau des Gotthard-Tunnels in der Schweiz läuft Stuttgart 21 sowohl kostenmäßig als auch zeitmäßig aus dem Ruder“, bemängelt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb. Die Frage nach der Sicherheit aufgrund der geneigten Gleise und Bahnsteige sei nach wie vor nicht geklärt und werde aus politischen Gründen verschoben – aus VCD-Sicht sei nicht ausgeschlossen, dass die Inbetriebnahme des Schrägbahnhofs überhaupt nicht genehmigungsfähig sei. Der Verkehrsclub fordert deswegen alle Beteiligte, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, den Verband Region Stuttgart und die Deutsche Bahn auf, Kosten und Nutzen des Projektes neu zu überdenken.
„Stuttgart 21 ist ein rein städtebauliches Projekt“, sagt Klaus Arnoldi, stellvertretender VCD-Landesvorsitzender: „Die Idee des ehemaligen Bahnchefs Heinz Dürr, den Stuttgarter Bahnhof zu vergraben und die Kosten durch den Verkauf der freiwerdenden Flächen zu finanzieren, ist gescheitert. Die Projektpartner sollten sich dies eingestehen und überlegen, wie der Ausstieg aus diesem Prestigeprojekt möglich ist.“
Aus VCD-Sicht bringe der Bau von Stuttgart 21 verkehrlich keine signifikanten Verbesserungen. Auch wenn für durchgehende Züge die Fahrzeit geringfügig verbessert werde, bleibe der entscheidende Nachteil, dass mit Stuttgart 21 trotz hoher Kosten die Kapazitäten des Stuttgarter Hauptbahnhofs nicht erweitert würden, kritisiert der VCD. „Stuttgart 21 leistet so keinen Beitrag zur Behebung des Feinstaub- und Stauproblematik in der Landeshauptstadt. Bestehende Engpässe im Schienennetz rund um Stuttgart werden nicht ausgebaut“, beklagt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb. Erst kürzlich hätten der Verkehrswissenschaftler Professor Heimerl und die Regionalversammlung festgestellt, dass die Gäubahn (Panoramabahn) als zweite S-Bahn-Stammstrecke erhalten bleiben sollte.
„Nach all den Hiobsbotschaften und der Erkenntnis, dass Stuttgart 21 die verkehrlichen Anforderungen der Zukunft nicht erfüllt, ist es Zeit für ein Moratorium“, betont Matthias Lieb. Ein „Augen zu und durch“ dürfe es angesichts der hohen Kosten und des geringen verkehrlichen Nutzens nicht geben, fordert der VCD. „Die Projektbeteiligten sind aufgefordert, die nächsten Monate zu nutzen, um darüber nachzudenken, welche Eisenbahninfrastruktur für die Region Stuttgart zukünftig tatsächlich notwendig ist, statt mit einem Weiter-So eine teure und untaugliche Engpass-Infrastruktur zu bauen und zu finanzieren“, erklärt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb.