Preiswerbung für Flüge muss über Gebühren für Gepäck und mitgeführte Koffer informieren

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Das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht unterstreichen in Entscheidungen gegen die irische Fluggesellschaft Ryanair die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit in Bezug auf Werbung mit Flugpreisen. Verbraucher erwarten bei Buchung von Flügen immer noch, dass ein mitgeführtes Gepäckstück oder ein Reisekoffer ohne Zusatzkosten aufgegeben werden kann.

Der Wettbewerb unter den Fluggesellschaften auf dem europäischen Markt der Luftfahrt hat in der Vergangenheit spürbar zugenommen. Das Passagieraufkommen sank zuletzt um fast 2 Prozent und das Frachtaufkommen sogar um 20 Prozent. Die Fluggesellschaften führen den Wettbewerb um Kunden primär über den Preis. Die Luftfahrtunternehmen versuchen, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers durch Werbung mit niedrigen Anfangspreisen auf ihre Angebote zu jeweiligen Flugstrecken zu lenken. Dies geschieht meist mit der Werbung durch „ab“-Preise für Flüge. „Jeder Flug ab 1 Euro“, „Zum Taxipreis nach Rom“, „Nach Madrid für 99 Cent“, und ähnliche Werbeangebote dürften der Mehrzahl der Fluggäste in Deutschland bekannt sein.

Die Entscheidungen des Landgerichts Hamburg und des Hanseatischen Oberlandesgerichts in einer Sache gegen die irische Fluggesellschaft Ryanair unterstreichen die rechtlichen Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit. Es ist Fluggesellschaften gestattet, für einzelne Leistungen und/oder Zusatzleistungen Entgelte zu verlangen. Die Berechnung des Flugpreises muss jedoch die einzelnen Preisbestandteile ausweisen und den Fluggästen transparent, klar und deutlich mitgeteilt werden. Interessierte Verbraucher sollen durch die verpflichtende Angabe von Endpreisen in die Lage versetzt werden, den wahren Preis der Flugbeförderung zu erkennen, um Dienstleistungen anderer Anbieter vergleichen zu können.
Im vorliegend entschiedenen Fall hatte die Fluggesellschaft Ryanair in Tageszeitungen und im Internet für Flüge der Flugstrecken vom Flughafen Friedrichshafen am Bodensee nach Pisa (Florenz) in Italien und Dublin in Irland mit der Aussage geworben: „Zu sensationellen Preisen auf die Piste“ und den Flugpreis „ab Euro 25,59“ herausgestellt. Ryanair wies darauf hin, dass der Preis sich auf einen einfachen Flug „incl. Steuern & Gebühren“ bezog. Die Besonderheit bei Flugbuchungen mit Ryanair ist, dass Passagiere für jedes aufgegebene Gepäckstück eine zusätzliche Gebühr zahlen müssen. Darauf hatte Ryanair in der Werbung nicht hingewiesen. Ryanair hatte Mitte März 2006 die Beförderungsbedingungen bezüglich der Gepäckaufgabe und Gepäckmitnahme geändert. Danach musste jeder Fluggast, soweit die Gepäckaufgabe vorher angemeldet wurde, eine Gebühr von 3,50 Euro pro Gepäckstück (ab September 2006: 4,50 Euro, inzwischen: 10 Euro, Stand Februar 2009) zahlen. Passagiere, die die Gepäckaufgabe nicht vorher angemeldet hatten, mussten für jedes aufgegebene Gepäckstück eine Gebühr von 7 Euro zahlen. Jeder Passagier durfte ein Handgepäckstück bis 10 kg kostenfrei mitnehmen.
Ryanair wurde aufgefordert, die irreführende Werbung zurückzuziehen und insbesondere darauf hinzuweisen, dass für jedes aufgegebene Gepäckstück eine Gebühr berechnet wird. Dem kam Ryanair nicht nach.

Im Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Hamburg wehrte sich Ryanair gegen die Unterlassungsaufforderung mit dem Argument, dass Verbraucher bei Billigfluglinien daran gewöhnt seien, das eine „Leistungsdiversifizierung erfolge“, wie es ausgedrückt wurde. Ryanair behauptete demnach, dass Verbraucher es gewöhnt wären, für aufgegebenes Gepäck zusätzliche Gebühren zahlen zu müssen und dies der weitverbreiteten Praxis der Branche entspräche.

Das Landgericht Hamburg sah dies anders und untersagte Ryanair, weiterhin wie bezeichnet zu werben (Landgericht Hamburg, Urteil vom 20.12.2006, Aktenzeichen: 315 O 776/06). Das LG Hamburg qualifizierte die Werbung als irreführend, da diese nicht der Wirklichkeit entspräche. Danach erwarten Flugpassagiere bei dem Angebot einer Flugreise, Gepäckstücke im üblichen Umfang aufgeben zu können, ohne dafür eine zusätzliche Gebühr für die Aufgabe des Koffers am Check-In entrichten zu müssen. Das gelte auch für Flüge mit Billigfluglinien. Daher habe Ryanair die Flugpassagiere mit der Werbung getäuscht. Ryanair gab im Verfahren interessanterweise Interna an und teilte mit, dass 75% der Flugpassagiere Ryanairs einen oder mehrere Koffer aufgeben würden. Ryanair versuchte sich noch mit dem Argument zu wehren, dass bei den Flügen mit Ryanair auch Getränke nur gegen Entgelt angeboten würden und dies den Flugpassagieren bekannt sei. Die Richter des Landgerichts Hamburg sahen jedoch einen rechtserheblichen Unterschied zwischen der kostenlosen Aufgabe eines Koffers und der kostenlosen Servierung eines Getränks im Rahmen einer Flugbeförderung.

Gegen das Urteil legte Ryanair Berufung ein. Die Berufung wurde jedoch vom Hanseatischen Oberlandesgericht zurückgewiesen (OLG Hamburg, Urteil vom 20.09.2007, Aktenzeichen: 3 U 30/07). Auch die Richter des Senates des OLG Hamburg nahmen an, dass Flugpassagiere wegen des Hinweises „incl. Steuern & Gebühren“ in der Werbung annähmen, weitere Kosten, jedenfalls für „normales“ Gepäck und Reisekoffer in Standardgröße und Gewicht bis 20 Kilogramm kämen nicht hinzu. Das Vorbringen von Ryanair, ihre Gepäckgebühr sei gleichsam der Marktstandard wurde in deutlicher Weise zurückgewiesen. Die Richter des Senats führten aus, dass schon die Lebenserfahrung zeige, dass für Reisende die Mitnahme des „normalen“ aufzugebenden Reisegepäcks kein „Extra“ darstellt, für das man die Zahlungspflicht eines zusätzlichen Entgeltes erwarte. Bei Flugreisen war es generell immer üblich, dass in normalen Grenzen das aufzugebende Gepäck nichts zusätzlich kostete. Fluggäste erwarten, Reisegepäck bis zu 20 Kilo ohne zusätzliche Kosten aufgeben zu können. Dass das bei „Billigflügen“ von sog. ‚Low-Cost-Carriern‘ oder ‚Billigfliegern‘ grundsätzlich anders wäre, könne nicht angenommen werden. Es gibt auch preisgünstige Angebote der traditionellen Fluggesellschaften, der sog. Flag-Carrier, mit kostenloser Gepäckbeförderung und Gepäcktransport ohne Zusatzentgelt.

Die Entscheidungen der Hamburger Richter sind zu begrüßen. Flugpassagiere müssen bei Flugbuchung wissen, was die beworbene und angebotene Leistung im Endeffekt, kostet. Die Angabe von Endpreisen ist daher auch auf dem Markt der Flugbeförderungen notwendig. In Zukunft ist jedoch zu erwarten, dass sich der von Ryanair in den Verfahren behauptete Marktstandard tatsächlich dahin entwickeln wird, dass sich Preise bezüglich Flugbeförderungsleistungen auf die reine Flugbeförderung beziehen und Gepäckaufgabe, Servierung von Getränken, bevorzugtes Boarding und weitere „Leistungen“, die bisher vom Preis umfasst waren, als Zusatzleistung anzusehen sein werden, für die ein entsprechendes Entgelt verlangt wird. Das mag der traditionellen Vorstellung von Flügen und der bisherigen Lebenserfahrung widersprechen. Die Tendenz der Branche, aus diversen Buchungsvorgängen und Teilen von Dienstleistungen rund um einen Flug, zusätzliche Leistungen- und sei es nur begrifflich- zu kreieren, ist nicht zu übersehen. Daher könnte Ryanair mit dem Argument, dass dies Marktstandard sei, in wenigen Jahren tatsächlich Recht haben.

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