Die Haftungshöchstgrenzen für Schäden aus einer Flugverspätung oder dem verspäteten Gepäcktransport, für Gepäckschäden und für Personenschäden, die auf das völkerrechtliche Montrealer Übereinkommen gestützt werden, wurden in Deutschland durch die Verordnung über die Inkraftsetzung der angepassten Haftungshöchstbeträge des Montrealer Übereinkommens mit Wirkung ab dem 30.12.2009 im Einklang mit dem Völkerrecht und Gemeinschaftsrecht um rund 13% angehoben. Damit haben betroffene Fluggäste Anspruch auf höhere Erstattungsleistungen gegenüber Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern.
Auf einem Flug gilt das Motto: Offen wie der Himmel, weit wie das Meer! Läuft jedoch beim Koffertransport etwas schief, sind Erstattungs- und Schadensersatzansprüche von Reisenden und Fluggästen nicht grenzenlos. Wer Betroffener einer Flugverspätung, verspäteter Gepäckbeförderung, Gepäckschäden oder sogar Gepäckverlust ist, hat unter anderem Ansprüche gegen die Fluggesellschaft und den Reiseveranstalter auf Schadensersatz und Aufwendungsersatz.
Grundsätzlich kann der betroffene Fluggast sämtliche Schäden, Ausgaben und Kosten aus einer Gepäckverspätung oder einer Verspätung des Fluges gegenüber der vertraglichen und gegenüber der ausführenden Fluggesellschaft geltend machen. Wie weit die Entschädigungsforderungen gehen und welche Ansprüche der Fluggast dem Grunde und der Höhe nach geltend machen kann, hängt von den Anspruchsgrundlagen ab, auf die sich der Flugpassagier beruft. Das Luftverkehrsrecht ist ein zersplittertes Rechtsgebiet, in dem die Ansprüche von Fluggästen auf verschiedene völkerrechtliche Normen, europarechtliche Verordnungen, Richtlinien und Gesetze der einzelnen Mitglied- und Unterzeichnerstaaten gestützt werden können. Auf welche Anspruchsgrundlage ein betroffener Fluggast seine Forderungen stützen kann, ist im Einzelfall nach dem Anspruchsziel des Reisenden zu bestimmen. Häufig wird zumindest eine mögliche Anspruchsgrundlage den völkerrechtlichen Normen des Montrealer Übereinkommens (Abkürzung: MÜ) zu entnehmen sein.
Im Rahmen der Erstattung von Gepäckschäden und Verspätungsschäden nach dem Montrealer Übereinkommen ist zu beachten, dass das MÜ eine Haftungshöchstgrenze für Fluggesellschaften gesetzlich festlegt. Die Höchstgrenzen werden in Sonderziehungsrechten ausgedrückt und lagen bisher bei 1.000 Sonderziehungsrechten für Gepäckschäden, beim Ausgleich für Verspätungsschäden bei 4.150 SZR und bei Tod oder Körperverletzung des Fluggastes bei 100.000 SZR. Sonderziehungsrechte (engl. „Special Drawing Right“, englische Abkürzung: „SDR“, deutsche Abkürzung: „SZR“ für „Sonderziehungsrechte“) sind eine künstliche Währungseinheit, die vom Internationalen Währungsfonds eingeführt wurde und insbesondere als Wertersatz bei Schadensersatzansprüchen von Fluggästen und Reisenden Anwendung findet. Es ist Geld, das quasi künstlich geschaffen wird und sich aus den Weltleitwährungen zusammensetzt. Der Wert eines SZR wird täglich vom IWF festgelegt, basierend auf den Umtauschraten der Währungen, aus denen sich das SZR bildet. Der tagesaktuelle Umrechnungskurs und Gegenwert für ein Sonderziehungsrecht wird vom Internationalen Währungsfonds veröffentlicht und kann auf der Webseite unter „SDR Valuation“ eingesehen werden.
Die Unterzeichnerstaaten des Montrealer Übereinkommens waren sich der Notwendigkeit bewusst, sicherzustellen, dass die Haftungshöchstbeträge auch mit fortschreitender Zeit ihren wirtschaftlichen Wert behalten und nach Inkrafttreten des Übereinkommens nicht durch Inflation oder sonstige Wirtschaftsfaktoren aufgezehrt werden. Daher ist in Artikel 24 des Montrealer Übereinkommens vereinbart, die Beträge regelmäßig im Abstand von fünf Jahren zu überprüfen und, wenn erforderlich, der weltweiten Inflation anzupassen. Der Internationale Währungsfonds errechnete aus den Daten des Verbraucherpreisindex (VPI) der zurückliegenden Jahre, dass die Durchschnittsverbraucherpreise um ca. 13,1% gestiegen sind. Um diesen Inflationsfaktor wurden die Haftungshöchstgrenzen nach dem MÜ nun erhöht.
Nachdem die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) die Unterzeichnerstaaten des Montrealer Übereinkommens über die Anpassung und Erhöhung der Haftungshöchstbeträge informiert und nur wenige Staaten widersprochen hatten, traten die angepassten Haftungshöchstgrenzen für alle Vertragsstaaten am 30.12.2009 in Kraft. Um die Änderungen in das deutsche Recht zu übernehmen, wurden die Höchstbeträge in Deutschland durch den Erlass der Verordnung über die Inkraftsetzung der angepassten Haftungshöchstbeträge des Montrealer Übereinkommens vom 14.12.2009 mit Wirkung zum 30.12.2009 zu Gunsten von Fluggästen und Reisenden angehoben. Durch Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 gelten die angepassten und erhöhten Haftungshöchstsätze nunmehr auch für das Gemeinschaftsrecht und damit für alle EU-Mitgliedstaaten. Zudem ist in Deutschland das Luftverkehrsgesetz entsprechend geändert worden.
Bei Gepäckschäden und Gepäckverlust gilt jetzt in Europa statt der alten Höchstgrenze von 1.000 Sonderziehungsrechten eine Höchstgrenze von 1.131 SZR, was zum aktuellen Umrechnungskurs etwa 1.300,00 Euro entspricht. Die Haftungshöchstgrenze für Verspätungsschäden wurde von 4.150 auf 4.693 SZR angehoben, was ca. 5.300,00 Euro entspricht.
Es ist in der Praxis festzustellen, dass viele Fluggesellschaften und Reiseveranstalter die Erhöhung der haftungsrechtlichen Erstattungsbeträge noch nicht umgesetzt haben. Die Regulierung findet vielfach noch nach der Haftungshöchstgrenze der 1.000 Sonderziehungsrechte aus der Vergangenheit statt. Betroffene Fluggäste und Reisende sollten im Falle der Anspruchsgeltendmachung den Ausgleich, insbesondere der Höhe nach, überprüfen. Zudem kontern Fluggesellschaften berechtigte Ansprüche betroffener Fluggäste im Rahmen des Schadensausgleichs von Gepäckschäden, Kofferverlust und Gepäckverspätungen gerne mit dem Argument der Haftungshöchstgrenzen, insbesondere, wenn die Schäden die Haftungshöchstbeträge übersteigen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Fluggesellschaft dem Fluggast für die ordnungsgemäße Gepäckbeförderung haftet. Der Fluggast gibt sein Gepäck im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Behandlung und Beförderung in die Obhut der Fluggesellschaft. Die ordnungsgemäße Gepäckbeförderung stellt eine Hauptleistungspflicht aus dem Flugbeförderungsvertrag dar (vgl. BGH Urteil v. 05.12.2006, Az.: X ZR 165/03).
Die Haftungsvorschriften des völkerrechtlichen Montrealer Übereinkommens über die Haftung für Schäden von aufgegebenem Reisegepäck dienen der Stärkung des Schutzes der Fluggäste. Die Gepäckvorschriften stellen rechtlich eine der Gefährdungshaftung angenäherte Erfolgshaftung dar. Das bedeutet, dass die Haftung der Fluggesellschaft gegenüber Ansprüchen von Fluggästen sehr umfassend und weitreichend ist. Fluggäste sollten beachten, dass die Haftungshöchstgrenze nicht gilt und sie sämtliche Schäden vollumfänglich geltend machen können, wenn der Fluggesellschaft zumindest leichtfertiges Verhalten im Umgang mit ihrem aufgegebenen Reisegepäck nachgewiesen werden kann (vgl. OLG Köln Urteil v. 15.02.2005, Az.: 22 U 145/04).
Das bedeutet, dass die Fluggesellschaft im Rahmen der Erfolgshaftung auch über die Haftungshöchstgrenze hinaus für den Ausgleich aller Schäden und Aufwendungen verpflichtet ist.
Zu beachten ist im Rahmen von Reisen bei mehr als einem Flugpassagier, dass die normierten Haftungshöchstgrenzen „je Reisendem“ gelten. Das bedeutet, dass je Reisendem eine Haftung von 1.131 SZR für aufgegebene Koffer und Handgepäck gesetzlich zugestanden wird. Reist eine dreiköpfige Gruppe mit drei aufgegebenen Koffern, haftet die Fluggesellschaft in Höhe von 3.393 SZR, was ca. 4.100,00 Euro entspricht. Wollen Flugpassagiere sicherstellen, dass die Haftung bei höherwertigen Gütern und wertvollem Reisegepäck angemessen erhöht wird, sollte die vom EuGH ausdrücklich erwähnte Möglichkeit der betragsmäßigen Interessendeklaration genutzt werden. Zu beachten ist, dass die Interessendeklaration nur bei Abfertigung vor Aufgabe des Gepäcks und nicht nachträglich möglich ist.
Quelle: www.ra-janbartholl.de