Der Kussmund der AIDA

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Rostock. Udos Lindenbergs Schlapphut schaukelt auf den stilisierten Wellen, vom Musiker selbst ist nichts zu sehen. Ein bisschen respektlos findet der Rostocker Grafiker Feliks Büttner sein Bild selbst. «Aber der nimmt mir das schon nicht übel», winkt der 69-Jährige ab. Die Grafik, die noch tuschefrisch auf der Staffelei in Büttners lichtdurchfluteter Mühle steht, soll demnächst in einer der Schiffs-Galerien der AIDA-Flotte verkauft werden. Dort hängen Büttners frech-frivole Bilder neben denen vieler anderer Künstler, auch von Udo Lindenberg.

Zu den AIDA-Schiffen hat Feliks Büttner seit Jahren eine ganz besondere Beziehung, gab ihnen mit der Bugbemalung mit geschminkten Augen und Kussmund quasi ihr Gesicht. «Das war damals eine ziemlich mutige Entscheidung der Reederei, heute sind ja fast alle Kreuzfahrer irgendwie bemalt.» «Irgendwie» gebe es bei ihm nicht, jeder Pinselstrich müsse sitzen, sonst lande das Blatt erstmal auf dem Ausschusshaufen, sagt Büttner. «Weil es mir um das Papier leid tut.
Vielleicht nehme ich es mir später noch einmal vor und merke, Mensch, da hat nur noch ein Detail gefehlt. Oder ich male was anderes
drüber.» Sein Metier nimmt Büttner sehr ernst: Über Kunst könne man nicht streiten, und von wegen Geschmäcker seien verschieden: «Das gilt vielleicht in der Küche, nicht beim Malen», sagt der Hobbykoch.

Auch ohne die Kussmund-Bemalung der Rostocker Kreuzfahrtschiffe ist der Maler, Grafiker und Zeichner weltweit präsent. Seine Arbeiten hängen in Sammlungen von New York und Mexiko City über Paris und London bis Jerusalem. Büttners Bilder sprühen über vor Charme und Witz, Anteilnahme und Menschlichkeit. Große Themen wie Tschernobyl, Politsatire oder Arbeiten zu Naturkatastrophen fordern ihn heraus, jährlich nimmt er an Wettbewerben mit politischen Arbeiten teil. Aber
auch wilde, mit Augenzwinkern gemalte Porträts von Promis finden sich in seinem Atelier wieder, ebenso wie viele Studien von Jazzmusikern, zu denen sich Büttner «damals, also vor vielen Jahren», selbst zählte. Bunt und abenteuerlich dagegen sind seine Entwürfe zu
Einladungskarten oder Veranstaltungsplakaten.

Die Ideen gehen ihm nie aus, auch unterwegs habe er seinen Skizzenblock immer dabei: «Ich sag meinen Studenten immer, geht mit offenen Augen durch die Welt, kontrolliert, was ihr seht, entscheidet, was gut ist.» Die jungen Grafiker seien magisch angezogen vom Computer. Er versuche dagegen, sie zum Malerischen zurückzuholen: «Das ist viel direkter und kreativer, wenn sie einen Pinsel in der Hand halten.» Einmal pro Woche unterrichtet er Grafikstudenten an der Technischen Kunstschule in Rostock, die er mitgegründet hat. Ein guter Pädagoge sei er wohl nicht gerade, dennoch mache ihm das Arbeiten mit jungen Leuten Spaß, zum Beispiel mit Kindern. «Die sind aktiv, schaffen unheimlich viel und nehmen auch Hilfe an.»

Gegenwärtig stehen mehrmonatige Workshops für chinesische Kunststudenten ins Haus, im Mai war Büttner dafür in China zu einer Vorlesung. Sehr kreative junge Leute seien das, lobt der Künstler, der seit Jahren Mitglied im renommierten Internationalen Grafiker-Vereinigung AGI mit Sitz in der Schweiz ist. Zwischen seinen Auslandsauftritten nimmt Büttner aber auch immer wieder sehr bodenständige Aufträge an. So habe ihn gerade Wustrow gebeten, zum Ortsjubiläum ein Plakat zu entwerfen: «Darüber hab ich mich wirklich gefreut, denn die meisten geben so einen Auftrag ja an irgendeine Agentur und lassen sich was aufschwatzen.» Sein Bild ist schon fertig, Ideen für bemalte kleine Keramikplättchen bekommt die Gemeinde noch extra.

Urlaub von der Arbeit, womöglich noch am Strand, braucht Büttner nicht. Das liegt nicht nur daran, dass er in seiner ausgebauten, 170
Jahre alten Holländer-Mühle nahe genug an der Ostsee lebt, dass er das Meer förmlich riechen kann. Auch nicht an einem vollen Terminkalender, obgleich mehrere Galerien auf Nachschub warten. Nein, ausruhen sei einfach nichts für ihn. Entspannung finde er beim guten
Glas Wein, bei guter Musik und mitunter auch auf AIDA-Schiffen, die er hin und wieder besucht, um mit und vor den Gästen zu malen.
«Obwohl, da hab ich doch auch ’ne Art Lampenfieber», sagt Büttner schmunzelnd.