Tourismus in der Krise

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„Sie besitzen die Dreistigkeit, hier in Privatjets aufzukreuzen und zugleich den Steuerzahler um Milliarden anzubetteln?“ Spätestens seit sich die Bosse der US-Autoindustrie im Rahmen einer Kongressanhörung derart die Leviten lesen lassen mussten, dürfte klar sein, dass teure Reisen als Statussymbol erst einmal ausgedient haben. Jetzt werden also Spesenetats und Urlaubsbudgets radikal gekürzt. Die unerträgliche Schwere des Seins, so mutet es auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin an, bestimmt das Bild einer Branche, die gerne mit ewigem Sonnenschein kokettiert. Die Produzenten der Ferienträume stehen auf einmal ebenso im Regen wie der Golfer in Schottland. Im Regen? Sintflutartig prasselt der Monsun auf sie herab. Der Sturm wirbelt eine Branche durcheinander, die nach den Einbrüchen im Gefolge islamistischer Terroranschläge wie kaum eine zweite die Krisenbewältigung durch Schönreden kultiviert hat. Wenn in Ägypten Bomben Basar-Bummler zerfetzen oder der Orkan »Kyrill« die Wälder im Sauerland flach legt, dann schlägt die Stunde der PR-Strategen, die gebetsmühlenartig versichern: »Aber die Urlauber sind sicher, alles geht wieder seinen gewohnten Gang.« Doch die Aufräumarbeiten nach einer globalen Wirtschafts- und Finanzkrise dauern länger als das rasche Zukleistern und Überpinseln von Einschusslöchern, das Wegräumen geknickter Palmen und Fichten. Erst wenn das Vertrauen in einen neuen Aufschwung greift, dann »laufen wir zusammen durch den Monsun, dann wird alles gut«, wie es im Lied heißt. Und so sehen die Perspektiven für 2009 aus: Dem lange im voraus geplanten und bezahlten Urlaub im Süden erteilen die Gäste eine Absage, das zwingt die Tourismus-Konzerne in die Knie. Da jede Krise aber zugleich auch eine Chance bedeutet, werden die deutschen Feriengebiete möglicherweise dieses Jahr sogar richtig gute Zahlen schreiben können. Wenn das Wetter mitspielt! Ein stabiles Sonnen-Hoch zur rechten Ferienzeit wird alle Menschen, die die Krise bislang verschonte (und davon gibt es hierzulande mehr, als mancher es glaubt), in Scharen hinaus treiben. Bye bye, Wirtschaftsblues – und adieu Wintertristesse! Deutschland ist schön, genießen wir es! Die Reisekonzerne, die sich in der Vergangenheit für Frühbucherrabatte statt Last-Minute-Schnäppchen stark gemacht haben und derzeit Kontigente abbauen, müssen nun bieten, was der produzierenden Industrie übrigens seit Jahren abverlangt wird: Lieferung des Produkts »just in time«. Wer die spontane Nachfrage am besten bedient, kommt beim Flugreisegeschäft Richtung Mittelmeer am ehesten mit einem blauen Auge davon. Totgesagte, leben länger: Last Minute erlebt seine Wiedergeburt! TUI & Co. können im Übrigen darauf setzen, dass das aufgestaute Fernweh eines Tages wieder abgebaut wird. Auch wenn Deutschland 2009 viel Werbung in eigener Sache macht…

Quelle: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld)