Schwul-Lesbische Reiselust

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Sind Homos und Heteros auf dem touristischen Parket heute gleichgestellt, oder sind die einen immer noch gleicher als die anderen? Aktuelle Studien belegen den Unternehmungsgeist von Schwulen und Lesben und trotzdem steckt der rosarote Reisemarkt noch in den Kinderschuhen. Es zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Reiselust auf der Homoseite und dem tatsächlichen Marktangebot für die Zielgruppe.

Das schwul-lesbische Reiseverhalten in deutschen Landen spricht seine eigene Sprache. Während zum Beispiel die amerikanischen Homos gern in großer Zahl gemeinsam etwas unternehmen, in Vergnügungsparks pilgern oder eine Kreuzfahrt machen, sind die Deutschen bekanntermaßen Anhänger des Individualtourismus.
Vielleicht beginnen genau an dieser Stelle die Schwierigkeiten und die vermeidlich schönsten Wochen des Jahres werden zum angenervten Spießrutenlauf. Der Flug könnte ein Schnäppchen vom Last-Minute-Schalter sein, das Hotel aus dem Reisebüro um die Ecke oder beides zusammen aus dem asexuellen Neckermann Katalog. Nur wenige lassen sich ihr Reisepaket von denen schnüren, die sich auskennen – vom schwul-lesbischen Reisebüro. Dabei liefert die Szene einen gigantischen Markt, den die Tourismusbranche auf den zweiten oder dritten Blick nun doch stark zunehmend entdeckt. Ein Milliardengeschäft, das nicht zuletzt auch auf der bedeutendsten Reisefachmesse der Welt, der ITB in Berlin, eine Plattform gefunden hat. Hier sind seit einigen Jahren schwul-lesbische Reiseziele und Marketingorganisationen ein fester Bestandteil der Messe und die attraktive Homozielgruppe wird gekonnt mehr ins Bewusstsein gerückt.

Reisen auf anderen Wegen
In Köln und Berlin ist jeder zehnte Bürger schwul. Längst bekleiden Homosexuelle ganz selbstverständlich Spitzenpositionen in vielen Branchen. Homosexuelle Paare geben sich das Jawort, es gibt kirchliche und politische Homosexuellenverbände (Schwusos), so mancher Vermieter schätzt sie als kinderlose Doppelverdiener und Werbung und Tourismusbranche haben sie als gewinnende Zielgruppe entdeckt. Nach einer Studie der International Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA) haben 2006 gute 94 Prozent aller deutschen Schwulen und Lesben ihre Koffer gepackt und sind verreist. 22 Prozent machten sich sogar vier Mal und öfter auf die Socken und fuhren in einen längeren Urlaub.
Mit einer umfangreichen Studie untersuchte die auf Gay-Marketing spezialisierte Werbe- und Marketingagentur COMMUNIGAYTE erstmalig das Reiseverhalten der Schwul-Lesbischen Zielgruppe und fragte neben Alter, Einkommen und Beziehungs-Status ganz gezielt die beliebtesten Reisezeiten, Reiseziele, Fluggesellschaften und Hotelpräferenzen ab. Ebenfalls untersucht wurden die wichtigsten Erwartungskriterien bei der Auswahl der Reiseziele, sowohl bei Kurzreisen als auch für den langen Urlaub.
Die Ergebnisse sind beeindruckend. So reist die Zielgruppe nicht nur bedeutend häufiger als der Durchschnitt, sondern bevorzugt eindeutig die Neben- und Zwischensaison. Bei der Auswahl der beliebtesten Destinationen liegen Ziele in Spanien und den USA ganz vorne. Mit der zunehmenden Ansprache der Zielgruppe durch die Fremdenverkehrsämter wird der Urlaubshorizont für Schwule und Lesben stetig erweitert und auch weniger bekannter Regionen, wie beispielsweise die Insel La Réunion mausern sich zum beliebten Ferienziel.

Mit guter Planung und professionellem Know-how werden ganz neue Regionen zur Anlaufstelle der schwullesbischen Szene. Vom 11. – 14. September zum Beispiel findet am Wörthersee zum ersten Mal das PINK WAVE Festival für die internationale Gay Community statt. Zum Ausklang des Sommers laden Kärnten, die Region Wörthersee und Pörtschach gemeinsam mit COMMUNIGAYTE als Veranstalter alle Gays, Lesben, Bisexuelle und Transgender (GLBT) sowie Freunde der Community ein, eine fantastische Zeit zu erleben. Ein buntes Programm erwartet die Gäste und auch viele der lokalen Betriebe, Hotels und Gaststätten haben einiges auf die Beine gestellt und bieten Freizeit-, Sport und Entertainment-Angebote. So kann es auch gehen – und statt Intoleranz schwenkt hier Spaß und Miteinander die Fahne. Unter www.pinkwave.at werden detaillierte Infos geliefert.

Kann denn Liebe Sünde sein?
Zarah Leander stellte sich dazumal gegen den NS-Propagandaminister Josef Goebbels, als er ihr Umgang mit Homosexuellen vorwarf. Die mutige Sängerin mit der rauchigen Stimme bestand darauf, sich ihre Freunde selbst auszusuchen. Sergeant Leonard Matlovich, der vielleicht bekannteste Schwule der siebziger Jahre, machte Schlagzeilen mit der offenen Bekanntgabe seiner sexuellen Orientierung.
Man hat mir eine Medaille verliehen weil ich einen Mann tötete und mich ausgemustert, weil ich einen liebte. (Sergeant Leonard Matlovich)

Befreiend wirkte auch 2001 das Bekenntnis von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit live im Fernsehen: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so“. Wowereit punktete mit seiner Offenheit nicht nur in der Szene, sondern ebenso bei der großen Wählerschaft.
Und trotzdem – in vielen Ländern sind Homophobie und gewaltsame Übergriffe auf alle, die vermeidlich anders sind, nach wie vor an der Tagesordnung und mit Sicherheit ist nicht jedes Reiseziel empfehlenswert. Dabei müssen wir noch nicht einmal über die Landesgrenze hinausschauen. In dem idyllischen bayrischen Städtchen Altötting musste zum Beispiel eine CSD-Parade wegen massiver Drohungen von Rechtsradikalen und von fundamentalistischen Katholiken abgesagt werden.
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe schwul-lesbischer Reiseveranstalter, Travelbüros, Hotels, Veranstaltungen, Events und vieles mehr, was exakt auf die Szene ausgerichtet ist. Was bleibt ist vielleicht eine Frage: Wollen Schwule und Lesben tatsächlich nur unter sich sein, oder wollen sie sich einfach nur wohl fühlen? Immer mehr Angebote für „gays & friends“ oder Beschreibungen wie „gay-friendly“ deuten wohl auf eine Tendenz in Richtung „Miteinander“ hin und damit den Rückgang der „Ghettoisierung“ dieser Zielgruppe an. Ein einschlägiges Design-Hotel, das demnächst in Berlin ein weiteres Haus eröffnet, hat den Spieß kurzerhand umgedreht und wirbt aktuelle mit dem gelungenen Slogan: Hetero-friendly. Damit wirklich niemand sich ausgegrenzt fühlt.
Auch wenn viele Schwule und Lesben ihren hetero- und homosexuellen Freundeskreis ganz selbstverständlich integriert haben und sich daher in beiden „Welten“ zuhause fühlen, trauen wiederum andere der aktuellen Toleranz noch nicht so richtig über den Weg und bevorzugen es unter Ihresgleichen zu bleiben.
Vielleicht sind es aber noch immer die Kleingeister, die ewig Gestrigen auf beiden Seiten, die ein wirkliches Miteinander vereiteln? Die, die Welt auf wenige Farben begrenzen und den Prozess aus Selektion und Ablehnung lebendig halten.
Dabei haben diese Menschen vergessen, dass sie mit jedem schrägen Blick selbst etwas verlieren, mit jedem Angriff sich selbst ins gesellschaftliche Abseits stellen, weil sie etwas Wunderschönes im Leben übersehen – nämlich, sich an seiner Vielfalt zu erfreuen und zu bejahen, dass wir eben nicht alle gleich sind.

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