Reiseklima trübt sich ein

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Deutschland bleibt Reiseweltmeister, aber die Finanzkrise geht auch am Tourismus nicht spurlos vorbei.
„Die wichtigste Botschaft für 2009 ist leider eine etwas betrübliche“, sagte Hans-Peter Muntzke, der Reiseexperte der Dresdner Bank, am Dienstag auf der CMT, wo das Kreditunternehmen seine jährliche Studie für die Tourismusbranche vorstellte. Zwar seien die Reiseausgaben der Deutschen im Ausland im vergangenen Jahr um rund 1,5 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 61,5 Milliarden Euro gestiegen, doch habe sich die Zuwachsrate im Vergleich zu 2007 halbiert. Muntzke: „Der Urlaub nimmt bei den Deutschen immer noch einen hohen Stellenwert bei der Konsumplanung ein, aber auch in Deutschland ist die Rezession angekommen.“ Ihren Titel als Reiseweltmeister konnten die Deutschen 2008 jedoch halten.

Hohe Benzinpreise und Kerosinzuschläge der Airlines bewirkten im Vorjahr, dass der Urlaub im eigenen Land wieder an Attraktivität gewinnen konnte. Auch Holland, Österreich und die Schweiz profitierten von dieser Entwicklung. Bei den Flugreisen zählen die Fernziele zu den klaren Verlierern, wohingegen die Mittel- und Nahziele, allen voran Ägypten und die Türkei, deutlich aufholen konnten. Einen Langstreckengewinner gibt es dennoch: die USA. Hier spiele nicht zuletzt das durch den Machtwechsel im Weißen Haus entstandene, positive neue Amerikabild eine Rolle, erklärte Muntzke. Freilich ist und bleibt das liebe Geld die Haupttriebfeder bei der Wahl des Urlaubsziels: „Noch nie, nicht einmal zu D-Mark-Zeiten, war es so günstig, in den USA Urlaub zu machen und einzukaufen.“ Ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen nach wie vor Spanien, Österreich und Italien. Aber auch Wellness- und Gesundheitsreisen liegen im Trend. Zulegen konnte 2008 der Kreuzfahrtbereich, der sich, so Muntzke, „von seiner Exklusivität verabschiedet hat und auf reinen Spaßschiffen längst Angebote für die ganze Familie bereithält.“

Weltweit war in der zweiten Jahreshälfte 2008 ein Rückgang bei den Tourismuszahlen zu verzeichnen. Ein Abschwung, der sich laut Muntzke mit den Bankenpleiten seit September noch dramatisch verstärkt hat. Nur dem guten Jahresauftakt sei es daher zu verdanken, dass mit 920 Millionen Gästeankünften 2008 ebenfalls ein neues Rekordergebnis vorliege. „In den ersten fünf Monaten lag das Plus noch bei 6 Prozent, in den Sommermonaten sank es unter 2 Prozent, und im letzten Jahresdrittel dürften die Zahlen unter den Vorjahreswert gesunken sein.“ Unter der Finanzkrise leiden insbesondere Reisen nach Asien und Europa. Dank des schwachen US-Dollars stehen die Vereinigten Staaten auch im internationalen Vergleich noch relativ gut da.

Mit einem Umsatz von 26,5 Milliarden Euro liegt Deutschland auf Platz sieben der beliebtesten Reiseziele. Vor allem die Gäste aus den Nachbarländern, angeführt von den Niederlanden, bilden hier traditionell die Haupteinnahmequelle. Neue Bedeutung haben ost- und mitteleuropäische Staaten wie Polen oder Tschechien erlangt, insbesondere durch Einkaufsfahrten nach Deutschland. Aber auch am deutschen Tourismus geht die Finanzkrise nicht spurlos vorüber. Mit einem Plus von nur noch einem Prozent – im Vergleich zum langjährigen Durchschnittswachstum von fünf Prozent – schlägt die medial geschürte Verunsicherung der Konsumenten bei den einheimischen Reiseunternehmen zu Buche. Wirklich problematisch ist vor allem eine Entwicklung: Rund 30 Prozent aller ausländischen Ankünfte in Deutschland entfallen auf Geschäftsreisende, ein doppelt so hoher Anteil wie im gesamteuropäischen Durchschnitt. „Die Welt steht vor der schwersten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den Dreißiger Jahren“, sagte Muntzke. „Das hat besonders bei den Geschäftsreisen deutliche Spuren hinterlassen.“

Noch bestehe bei den deutschen Reiseunternehmern kein Grund zur Panik. „Die Deutschen sparen erfahrungsgemäß am Urlaub zuletzt. Der Haupturlaub steht sicher nicht zur Disposition. Allerdings könnte der Zweit- und Dritturlaub dem Rotstift zum Opfer fallen.“ Auch im Urlaub selbst könnte der Gelbeutel nicht mehr so locker sitzen wie bisher. Zu erwarten ist ein Sparverhalten bei zusätzlichen Extras wie Ausflügen oder Mietwagenbuchungen. Darüber hinaus könnte 2009 ein Spätbucherjahr werden. Muntzke: „Der Verbraucher möchte sich erst seiner eigenen wirtschaftlichen Situation sicher sein.“ Eine Umfrage der Dresdner Bank zeige „einen starken Pessimismus“: Rund die Hälfte aller Befragten erwartet 2009 einen Rückgang ihres Einkommens.

Noch ist von einer Reiseflaute nur wenig zu spüren. Insgesamt sei es momentan aber äußerst schwierig, überhaupt Voraussagen zu treffen, schloss Muntzke seinen Vortrag auf der CMT, denn „jede Prognose ist mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet. Wahrscheinlich ist aber eher ein Abwärtstrend.“