Multiresistente Keime als Urlaubsmitbringsel

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Der weltweite Tourismus hat einen wesentlichen Anteil an der Verbreitung multiresistenter Erreger, etwa der sogenannten ESBL-bildenden Bakterien. Dies bestätigt erneut eine aktuelle Veröffentlichung in The Lancet Infectious Diseases. Rund 320 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr Länder in Asien, Nordafrika oder im Mittleren Osten. Ein großer Teil der Reisenden, die ein Land mit geringem Hygienestandard besuchen, bringen multiresistente Darmkeime in ihre Heimat mit. Damit erhöht sich auch das Risiko, diese auf Daheimgebliebene zu übertragen. Mehr Bewusstsein bei Ärzten und Reisenden für die Problematik der auf Fernreisen erworbenen und hierzulande weiterverbreiteten multiresistenten Erreger sei notwendig, so das CRM Centrum für Reisemedizin.

Die aktuelle Publikation in der Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases bestätigt, dass internationale Reisen erheblich zur Entstehung und Verbreitung multiresistenter Erreger beitragen. 34 Prozent der international Reisenden, die zuvor frei von ESBL-bildenden Bakterien waren, kehren mit einem Befall dieser Keime in ihre Heimatländer zurück; bei 11,3 Prozent sind sie selbst nach zwölf Monaten in der Heimat noch nachweisbar. In Südostasien, Zentralasien und Nordafrika ist das Risiko, sich ESBL-bildende Keime einzufangen, besonders hoch. Das Risiko erhöhte sich zudem, wenn Reisende unterwegs Antibiotika eingenommen oder an Reisedurchfall gelitten hatten. Auch Menschen, die an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leiden, tragen ein höheres Risiko, auf Reisen multiresistente Keime zu erwerben.

Sie sogenannten ESBL-bildenden Bakterien, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind, müssen nicht per se krank machen. „Für viele Träger werden diese Keime nie zum Problem – es ist bis zu einem gewissen Grad sogar normal, dass wir alle multiresistente Bakterien in uns tragen“, erklärt Professor Dr. med. Tomas Jelinek, Wissenschaftlicher Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin. „Wenn die Erreger aber auf abwehrgeschwächte, kranke, frisch operierte oder ältere Menschen treffen, können sie zu einem massiven Problem werden.“ Bei diesen Personengruppen können sie verschiedene Infektionen auslösen, die wegen der Resistenz des Keims nur schwer zu behandeln sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erreger von Reiserückkehrern an ein Haushaltsmitglied übertragen werden, liegt bei rund zwölf Prozent, zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Untersuchung.

„Wir brauchen sowohl bei Ärzten als auch bei Reisenden mehr Bewusstsein für die Problematik der auf Fernreisen erworbenen und hierzulande weiterverbreiteten multiresistenten Erreger“, sagt Jelinek. International Reisende sollten etwa während und nach der Reise auf besonders sorgfältige Hygiene achten. „Die meisten Keime werden über die Hände übertragen. Regelmäßiges und gründliches Händewaschen schützt gefährdete Personen im Umfeld bis zu einem gewissen Grad“, betont Jelinek. Aber auch die Vermeidung von Reisedurchfall durch sorgfältige Lebensmittelhygiene auf Reisen sei wichtig. Falls nach der Reise ein Arzt- oder Klinikbesuch ansteht, sollten Reiserückkehrer die Ärzte proaktiv darauf hinweisen, dass und wann sie im Ausland waren.

„Doch auch Ärzte sind gefragt: Bei der Aufklärung von Reisewilligen über Risikofaktoren, aber auch bei der Berücksichtigung möglicher importierter Resistenzen bei Reiserückkehrern. Diese müssen sowohl bei der Behandlung der Reisenden selbst, als auch als potentielle Gefahr für andere Patienten – etwa bei Krankenhausaufenthalten – mehr in den Blick rücken“, so Jelinek.

Quellen:
Arcilla et al. Import and spread of extended-spectrum β-lactamase-producing Enterobacteriaceae by international travellers (COMBAT study): a prospective, multicentre cohort study. Lancet Infect Dis 2016. Published Online October 14, 2016. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S1473-3099(16)30319-X.