Anlässlich der 2. Sitzung der Interfraktionellen Arbeitsgruppe des Deutschen Bundestages zur Visa-Liberalisierung mit Russland erklärt der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion Franz Thoennes:
Die Belastungen und Hindernisse, die sich durch die geltenden Visaregelungen zwischen Deutschland und Russland ergeben, sind sehr gross. Das hat die Diskussion zwischen Abgeordneten aller Fraktionen aus den Bereichen Aussen-, Innen- und Wirtschaftspolitik mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und der Tourismusbranche einmal mehr deutlich gezeigt. Alle geladenen Experten unterstrichen den grossen wirtschaftlichen Schaden und Imageverlust für Deutschland insbesondere durch das zeitintensive und umständliche Verfahren.
2010 besuchten nach Angaben der Zentrale des Deutschen Tourismusverbandes 1,5 Millionen russische Touristen Deutschland, bis jetzt sind es bereits 850.000 im Jahr 2011.
Damit stellt Russland einen der grössten Quellmaerkte für den deutschen Tourismus dar. Und die Zahl der Beschwerden über die Praxis bei der Visabeantragung und -erteilung seien hoch.
Auch bei Austausch- und Förderprogrammen sowie bei internationalen Veranstaltungen können geladene russische Teilnehmer häufig nicht dabei sein, weil zum Beispiel Visa aufgrund formaler Fehler nicht ausgestellt wurden oder durch die grosse zeitliche Verzögerung bis zur Visaerteilung die Reise nicht angetreten werden konnte. Dies bestätigten die Vertreter des Deutsch-Russischen Forums und des Deutsch-Russischen Austauschs wie auch der Stiftung West-Oestliche Begegnungen und des Bundesverbandes Deutscher West-Ost-Gesellschaften.
Insgesamt waren sich die Experten aus den zivilgesellschaftlichen Bereichen einig, dass die Verfahren in den deutschen Vertretungen dringend vereinfacht werden müssen.
In anderen Auslandsvertretungen wie zum Beispiel der Finnlands oder Frankreichs ist dies deutlich unkomplizierter. Ziel muss deshalb eine einheitliche und bürgerfreundliche Handhabung des Schengener Visaverfahrens sein. Die Teilnehmer verständigten sich darauf, für die für den 28. September 2011 geplante öffentliche Anhörung vor dem Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages einen gemeinsamen Forderungskatalog in Ergänzung zu den vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft formulierten Erwartungen vorzulegen.
Wir begruessen ausdrücklich dieses Vorhaben. Denn Sinn und Zweck der Anhörung soll es sein, aus allen Bereichen der Gesellschaft Expertise für eine erleichterte Visapraxis zu erhalten. Die Visaverfahren dürfen nicht weiterhin den Ausbau der gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland behindern. Dabei gilt es die Bundeskanzlerin beim Wort zu nehmen, die beim Petersburger Dialog im vergangenen Juli einräumte: „Deutschland war hier bisher der Bremser, nicht Europa“ und es gleichzeitig als „wünschenswert“ bezeichnete, sowohl für Wirtschaftskontakte als auch für Touristen und Studierende den Austausch zwischen beiden Ländern zu vertiefen.
In ihren weiteren Sitzungen wird sich die Interfraktionelle Arbeitsgruppe auch mit den wichtigen sicherheitsrelevanten Aspekten befassen. Dabei wird zu bewerten sein, ob die aufgewendeten Verwaltungskosten und die Bürokratie der Visapraxis im Verhältnis zur erwünschten und realen erzeugten Sicherheit stehen und ob die berechtigten Sicherheitsinteressen gegen Kriminalität und die Bekämpfung terroristischer Risiken nicht auch mit anderen organisatorischen und technischen Mitteln wirksam erfüllt werden koennen.