Das Ende des Bombodrom

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Potsdam. Als Niederlage will Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) den Verzicht auf den Luft-Boden-Schießplatz im
Norden Brandenburgs nicht verstanden wissen. Ausdrücklich betont der CDU-Politiker am Donnerstag in Berlin, dieser Schritt bedeute keine Anerkennung der Urteile zum sogenannten Bombodrom oder der Kritik der Gegner des geplanten Truppenübungsplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide. «Es wird in materieller Hinsicht weder den Kritikern noch dem Urteil recht gegeben», sagt Jung.

Den Gegnern dürfte das am Ende egal sein: Entscheidend ist aus ihrer Sicht, dass endlich jemand den Mumm hatte, einzulenken. 17 Jahre haben Aktivisten, Unternehmer und Gemeinden auf diese Entscheidung hingearbeitet. Auch wenn Jung es nicht als Niederlage betrachtet: Das Aus für das «Bombodrom» ist ein Sieg für das bürgerschaftliche Engagement.

17 Jahre hat allen voran die Bürgerinitiative «Freie Heide» für eine zivile Nutzung der Heidelandschaft bei Wittstock an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern gekämpft. Dabei hat sich der 9. Juli nun schon zum zweiten Mal in der Geschichte der Protestbewegung als denkwürdiger Tag erwiesen: Genau auf den Tag vor sechs Jahren, am 9. Juli 2003, hatte der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die Betriebserlaubnis für das «Bombodrom» erteilt und das Betriebskonzept vorgestellt. Es sah nach den seit 1992 anhaltenden Protesten und gerichtlichen Auseinandersetzungen «nur» noch 1700 Tiefflugeinsätze von Kampffliegern der Luftwaffe vor.

Doch damit wollten sich die Aktivisten nicht abfinden. Sie reichten umgehend Klagen gegen die Betriebserlaubnis ein – und erhielten in zahlreichen Verfahren recht. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im März in drei Berufungsverfahren, dass die Bundeswehr das 12 000 Hektar große Areal weiterhin nicht nutzen darf. Dabei verwiesen die Richter unter anderem auf gravierende Abwägungsfehler. Jung hätte bis Montag Revision einlegen können.

Dass er darauf nun verzichtet, ist möglicherweise einem anderen Datum geschuldet: Am 27. September ist Wahltag. Neben dem Brandenburger Landtag wird auch der Bundestag neu gewählt. Nach dem an Klarheit kaum zu übertreffenden Urteil der OVG-Richter war der Druck auf Jung erheblich gewachsen. Zuletzt hatte nach langem Zögern sogar der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, die Eingaben
und Beschwerden zum «Bombodrom» ernstzunehmen und zu überdenken. Eine politische Entscheidung war praktisch unausweichlich. Wäre das Verteidigungsministerium in Revision gegangen, hätte sich der Rechtsstreit noch über Jahre fortgesetzt – und die Opposition hätte ein ideales Wahlkampfthema gehabt.

Nun schmücken sich erst einmal alle mit der zivilen Zukunft der Heide. Die märkische SPD weist darauf hin, dass sie ja schon vor Jahren bei einem Parteitag gegen das «Bombodrom» gestimmt hat. Die CDU wiederum betont, erst Jung habe vermocht, was den SPD-Verteidigungsministern zuvor nicht gelungen sei.

Beiden Regierungsparteien ist jedoch anzuraten, sich nicht allzu lang zu feiern. Schließlich bleibt jetzt eine Menge Arbeit: Der
ehemalige russische Truppenübungsplatz bei Wittstock ist eine Art tickende Zeitbombe. Das Gelände muss von alter Munition geräumt werden. Auch wenn ein Teil des Gebiets der Natur überlassen werden soll: Wenigstens eine Straße und einige Wanderwege werden schon nötig sein, um das touristische Potenzial zu erschließen.

Und die Unternehmer aus den Ortschaften rings um das «Bombodrom», die in den vergangenen Jahren Investitionen für den Ausbau ihrer Pferdehöfe oder Hotels wegen des zu befürchtenden Fluglärms durch die Bundeswehr-Tornados zurückgestellt haben, brauchen jetzt Hilfe. Sie müssen nun inmitten der Wirtschaftskrise anschieben, was längst realisiert sein könnte.