Als der japanische Kronprinz Akihito 1964 zum ersten Staatsbesuch in Thailand eintraf, arrangierte der junge König Bhumibol Adulyadej keine opulenten Bankette, spektakulären Zeremonien oder publikumswirksamen Auftritte vor historischer Kulisse. Stattdessen nahm der thailändische Monarch und Biologieenthusiast den Thronfolger, einen begeisterten Ichthyologen, mit zu den Fischen an der Kasetsart-Universität. Vom Resultat des stundenlangen Fachsimpelns über Meergrundeln zehren die Thailänder im wahrsten Sinne des Wortes noch heute: Akihito präsentierte dem König erfolgreich 50 Tilapia-Buntbarsche, um durch Aufbau einer Fischzucht Nahrungsengpässe ins Reich der Vergangenheit zu verweisen – aus den 50 wurden schnell 10.000, und heute können die Menschen zwischen Chiang Mai und Songkhla pro Jahr 220.000 Tonnen des als „Pla Nin“ bekannt gewordenen Volksfisches essen. Er stellt nicht nur eine preiswerte Eiweißquelle für Geringverdienende dar, sondern wird auch erfolgreich exportiert.
Fast alles von dem, was den am 13. Oktober verstorbenen Bhumibol Adulyadej so beliebt gemacht hat, ist in dieser kleinen Andekdote ersichtlich: die Bodenständigkeit, die großen, oft naturwissenschaftlich begründeten Ideen, die praktische Umsetzung in kleinen Schritten, die persönliche Ebene und vor allem das Bestreben, dem Volk zu dienen und den Armen ein besseres Leben zu ermöglichen. Nicht umsonst lautete sein Regierungsmotto, das er auch auswählte, um sich von andersartigen Monarchien abzusetzen, „Ich werde das Land einzig zum Vorteil seiner Menschen regieren.“ Die Verehrung der Thailänder für ihren König ist daher mitnichten mysteriös oder kultisch, wie es in einigen westlichen Medien erschien, sondern sehr einfach zu erklären und durchaus vernunftbetont. Dr. Ton Tamrongnawasawasdi von der oben erwähnten Kasetsart-Universität bringt es auf den Punkt: „Ich habe nie jemandem Respekt gezollt, nur weil man es mir befohlen oder beigebracht hat, oder weil andere es auch taten. Für Wunder oder übernatürliche Kräfte habe ich nichts übrig. Die Wahrheit ist das einzige, was ich respektiere. Ich verehre Seine Majestät, weil ich genau sehe, was er für das thailändische Volk getan hat.“
Eine dieser sichtbaren Taten war die Initiative des Königs, den Opiumbauern in Nordthailand den Wechsel auf andere Anbaupflanzen zu ermöglichen. Im einstmals als Drogenhölle berüchtigten Goldenen Dreieck entstanden so seit den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts florierende landwirtschaftliche Betriebe, die statt tödlicher Substanzen nun zum Beispiel Erdbeeren, Kaffee, Blumen oder Macadamianüsse produzieren. Entgegen der Befürchtungen, dass das lukrative Opium nicht adäquat ersetzbar ist, können Kleinbauern und ethnische Minderheiten dank der durchdachten königlichen Projekte ein gesichertes Einkommen erwirtschaften. Der Status der ganzen Region hat sich enorm verbessert, Doi Tung in Chiang Rai und Doi Inthanon in Chiang Mai sind mittlerweile zu international beliebten Reisezielen geworden. Es überrascht daher nicht, dass das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) den königlichen Plan als einen der weltweit effektivsten lobt und als Vorbild anführt: „Der Erfolg Thailands in Sachen Opium hat bewiesen, was Entwicklungmaßnahmen in Bereichen leisten können, wo Zwang zu nichts geführt hat.“
Der CDU-BundestagsabgeordneteThomas Stritzl hatte Gelegenheit, sich selbst ein Bild hiervon zu machen, und schreibt anlässlich des Todes des Monarchen: „Durch die Projekte für alternative Landwirtschaft jenseits des Drogenanbaus haben viele Menschen im Goldenen Dreieck Hoffnung und Unterstützung in ihrem täglichen Leben erfahren. Mit seiner Unterstützung für diese Projekte hat König Bhumibol sein persönliches Engagement für das Wohlergehen seiner Landsleute und sein tiefes Verständnis für deren Herausforderungen des täglichen Lebens eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Erfolg seiner Projekte gibt ihm und seinen Überzeugungen auch nach seinem Tod Recht.“
Dr. Thomas Gambke (MdB) von den Grünen bestätigt: „Im letzten Jahr konnte ich die Entwicklungsprojekte in Doi Tung besichtigen. Ich war sehr beeindruckt, wie es mit diesem Projekt gelungen ist, für die Bewohnerinnen und Bewohner in der wenig entwickelten Bergregion Thailands eine gesunde wirtschaftliche und ökologisch wertvolle Basis zu schaffen. Dies war nur möglich geworden, weil die königliche Familie sich persönlich um das Projekt gekümmert hat und dazu beigetragen hat, die Widerstände und Schwierigkeiten in der Umsetzung des Projektes zu überwinden.“
Jürgen Koppelin von der FDP äußert sich ähnlich zu den Aktivitäten König Bhumibols: „Die vielen erfolgreichen königlichen Projekte zeigen, dass seine Majestät sehr erhebliche und bedeutende Beiträge zu einem heute modernen Thailand beigetragen hat. Seine Majestät hat sein Leben mit Ehrlichkeit, Selbstzurückhaltung, Aufopferung und Unparteilichkeit der Verbesserung der Lebensbedingungen der thailändischen Bevölkerung gewidmet. Jederzeit war seine Majestät auch offen für die Ideen anderer Menschen. Wer die vielen königlichen Projekte besucht hat, der kann es spüren und fühlt es.“
Barbara Riepl, die thailändische Generalkonsulin für Bayern und Sachsen, verdeutlicht die Liebe des Königs zum Detail sowie den Willen, für Thailand ungewöhnliche Wege zu gehen: „Ich wurde vor einigen Jahren vom Palast gebeten, einer thailändischen Dame in meiner Sächsischen Landwirtschaft (Milchviehbetrieb) Einsicht in die Milchwirtschaft zu geben.“
Es wäre nicht übertrieben zu sagen, man könnte Tausende weiterer Beispiele anführen, denn Bhumibol Adulyadej, auch bekannt als Rama IX, hat insgesamt tatsächlich etwa 4000 solcher Entwicklungsprojekte erdacht und überwacht. Hinter ihnen allen steht eine Grundidee: die sogenannte Philosophie der Sufficiency Economy, die der König erstmals im Jahr 1974 ausformulierte. Ausgehend von der Erkenntnis, dass den Herausforderungen einer immer komplexeren und zunehmend außer Kontrolle geratenden Globalisierungsgesellschaft auf lokaler Ebene und an der Basis begegnet werden muss, trat der König gegen Profitstreben und für Nachhaltigkeit ein. Jeder Bereich der Gesellschaft, also neben Einzelpersonen nicht nur Farmen, sondern auch städtische Großunternehmen, kann durch die drei Grundpfeiler Mäßigung, Vernunftorientierung und Sorgfalt zu Entscheidungen kommen, die sowohl klug als auch tugendhaft sind und so die obige Nachhaltigkeit in wirtschaftlicher, sozialer oder ökologischer Hinsicht fördern. Dass dies praktisch funktioniert, bestätigte das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) im Jahr 2006, als es Bhumibol Adulyadej den Human Development Lifetime Achievement Award verlieh. Die Philosophie der Sufficiency Economy wurde inzwischen erfolgreich in landwirtschaftlichen und sozialen Projekten in Ländern wie Lesotho, Laos, Osttimor, Tonga, Kambodscha und Myanmar angewandt.
Quelle: Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten