
Bereits vor der endgültigen Abstimmung im September 2025 hat das Europäische Parlament den Reformvorschlag des EU-Rats zur Fluggastrechte-Verordnung (EG 261/2004) klar zurückgewiesen. Die Abgeordneten sind sich parteiübergreifend einig, dass die geplante Schwächung der Fluggastrechte inakzeptabel ist. Die Association of Passenger Right Advocates (APRA) begrüßt diese Entscheidung, warnt aber zugleich, dass der verbraucherfeindliche Vorschlag damit nicht vom Tisch ist und im September 2025 zur finalen Abstimmung stehen wird. Sollte sich der EU-Rat durchsetzen, drohen Millionen Reisenden erhebliche Nachteile.
Besonders umstritten ist aktuell die Handgepäckregelung: Während der EU-Rat in seinem Vorschlag die kostenlose Mitnahme von Handgepäck grundsätzlich abschaffen möchte, fordert der Verkehrsausschuss, den Passagieren ein kostenloses Handgepäckstück bis zu sieben Kilogramm zu garantieren. Aus Sicht der APRA sind die geplanten Änderungen des EU-Rates nicht nur verbraucherfeindlich, sondern auch rechtlich fragwürdig.
Einige der vorgelegten Änderungen des EU-Rates im Überblick:
– Entschädigungen erst ab Verspätungen von vier oder sechs Stunden statt wie bisher drei
– Handgepäck soll künftig kostenpflichtig werden
– Mehr Ausnahmen für Airlines bei „außergewöhnlichen Umständen“
– Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen drastisch verkürzt
– Entschädigungssummen werden gesenkt – trotz steigender Kosten und Inflation
– Entschädigungen sollen auch bei mehreren Flugstörungen nur pro Reise gelten
– Umbuchungen werden eingeschränkt und Hotelübernachtungen bei Flugausfällen auf drei Nächte begrenzt
– Entschädigungen bei Verspätungen: 60 Prozent der Passagiere verlieren Anspruch
Sollte der EU-Rat mit seinem Vorschlag im September durchkommen, müssten Fluggesellschaften erst ab vier oder sechs Stunden Verspätung Entschädigung zahlen – aktuell gilt das bereits ab drei Stunden. Das würde bedeuten, dass rund 60 Prozent der heutigen Entschädigungsansprüche entfallen. Ein klarer Rückschritt im Verbraucherschutz und nicht vereinbar mit der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, die ab drei Stunden eine Entschädigungspflicht vorsieht.
Handgepäck wird zur Kostenfalle
Der Reformvorschlag des Rates würde es Fluggesellschaften ermöglichen, künftig für kleines Handgepäck Gebühren zu verlangen – selbst für unverzichtbare Dinge wie Medikamente, Babyartikel oder Laptops. Hier liegt ein klarer Verstoß vor: gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C-487/12 „Vueling“), das Handgepäck als untrennbaren Bestandteil des Beförderungsvertrags definiert.
Zum Handgepäck merkt Tomasz Pawliszyn, APRA-Präsident und CEO von AirHelp, an:
„Die aktuelle Debatte um Handgepäck zeigt, wie stark die Interessen von Reisenden und Fluggesellschaften auseinandergehen. Während der EU-Rat Airlines künftig erlauben will, selbst für kleine Taschen Gebühren zu verlangen, setzt sich das EU-Parlament – konkret der Verkehrsausschuss TRAN – aktuell für ein gesetzliches Recht auf kostenloses Handgepäck bis zu sieben Kilogramm ein. Die Fluggesellschaften haben sich vehement dagegen gewehrt und Lobbygruppen versuchen, die Abgeordneten vor der Abstimmung mit Last-Minute-Briefen zu beeinflussen. Ihr Motiv ist klar: Sie wollen die Milliardenumsätze schützen, die Billigfluggesellschaften mit Gepäckgebühren und anderen Extras erzielen. Diese werden letztlich direkt auf die Passagiere abgewälzt, nur weil sie notwendige Gegenstände mit an Bord nehmen. Wir stehen fest hinter dem Vorstoß des Parlaments für klare, einheitliche Regeln, die Fairness und Transparenz für alle Fluggäste gewährleisten.“
„Außergewöhnliche Umstände“: Mehr Spielraum für Ausreden statt für Rechte
Bisher müssen Airlines bei internen Problemen wie Streiks, Krankheitsausfällen oder technischen Defekten bei Flugstörungen in bestimmten Fällen Entschädigungen zahlen, denn laut EuGH sind diese vorhersehbar und unternehmerisch kontrollierbar. Der neue Vorschlag will das ändern: Solche Fälle sollen künftig als „außergewöhnliche Umstände“ gelten – ohne Entschädigungspflicht. Diese Neudefinition widerspricht der Rechtsprechung des EuGH und schafft Unklarheit für Verbraucher. Die Entschädigungspflicht würde faktisch ausgehebelt.
Fristverkürzung: Anspruch nur noch sechs Monate lang gültig
Der EU-Rat möchte die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf nur sechs Monate verkürzen. Heute gilt in den meisten Ländern ein Zeitrahmen von zwei bis fünf Jahren. Eine drastische Verschlechterung. Insbesondere für Verbraucher, die nach einem Vorfall Zeit zur Klärung benötigen. Aus Sicht der APRA ist das eine faktische Hürde für den Zugang zum Recht und könnte viele legitime Ansprüche zunichtemachen.
Weniger Geld für Verspätungen – trotz steigender Preise
Die geplante Reform würde die Entschädigungen für Langstreckenflüge von 600 Euro auf 500 Euro senken – auf Kurz- und Mittelstrecken ebenfalls. Das widerspricht jeder realen Preisentwicklung: Seit 2004 sind Flugkosten in Europa um über 50 Prozent gestiegen. Eine Absenkung wäre nicht verhältnismäßig und rechtlich fragwürdig.
Quelle: AirHelp / Bild: Pixabay
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