Bundesregierung und Bundestag bemühen sich seit Monaten vergeblich, eine im November 2015 verabschiedete Novelle der EU-Pauschalreiserichtlinie – das Grundgesetz der europäischen Reisebranche – in deutsches Recht zu gießen. Will Deutschland kein Vertragsverletzungsverfahren riskieren, müssen die neuen Regeln bis Neujahr 2018 verabschiedet sein. Spätestens am 1. Juli 2018 müssen sie in Kraft treten. Doch danach sieht es derzeit kaum aus; Fachleute bezeichnen die Umsetzung als äußerst schwierig. ARAG Experten haben sich die Verordnung genauer angesehen.
Sind Reisebüros in Gefahr?
Das steht zumindest zu befürchten. Reisebüros kämpfen allerorten ums Überleben, seit immer mehr Urlaubswillige ihre Traumreisen im Internet buchen. Nach dem neuen Gesetz sollen die meist kleinen und inhabergeführten Reisebüros auch noch haften, falls von ihnen zusammengestellte Hotels, Mietwagenfirmen oder Airlines pleitegehen. Vielen der 10.000 deutschen Agenturen, die jährlich im Schnitt kaum mehr als 20.000 Euro verdienen, könnte diese Regelung das Genick brechen. Auch Fremdenverkehrsbüros, Hotels oder Busunternehmen sind nach dem Willen der EU haftbar, sobald Urlauber bei ihnen mehr als eine Leistung buchen. Das ist vordergründig verbraucherfreundlich. Doch wer hilft den urlaubsreifen Verbrauchern, wenn es bald keine Reisebüros mehr gibt?
Verbraucherfreundlich?
Auch die Verbraucher haben von der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie und deren Umsetzung überwiegend Negatives zu erwarten. Veranstalter dürfen damit nämlich bis 20 Tage vor Abreise einen kräftigeren Preisnachschlag als bislang verlangen! Der Griff ins Portemonnaie droht Urlaubern bei steigenden Kerosinkosten, steigenden Wechselkursen oder anderen Unwägbarkeiten. Wer sich als Urlauber weigert, den Aufschlag von bis zu acht Prozent (bisher: fünf Prozent) zu zahlen, steht kurz vor der Reise ohne Flug und Hotel da. Einen Ersatz muss der Reiseveranstalter nicht mehr bereithalten. Besonders ärgerlich: Anbieter von Ferienhäusern und Tagesausflügen werden mit der Novelle aus dem Schutz herausgenommen, den deutsche Urlauber seit 1991 gegen Zahlungsausfälle und Reisemängel genießen. So werden laut ARAG Experten längst bestehende Regelungen zum Schutze der Urlauber aufgeweicht.
Zettelflut und Bürokratie
Wie beim Abschluss eines Darlehensvertrags für einen Hauskauf bekommen Erholungsuchende mit der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie standardisierte Merkblätter als Vorablektüre. Sieben Merkblätter muss ein Reisebüro dann für Kunden bereithalten und das jeweils passende übergeben. Es gibt Versionen für Pauschalreisen und andere Arrangements. Wie die Zettel auszusehen haben, ist schon im Entwurf für das dritte Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften enthalten. Darin finden sich allerdings meist nur wenig hilfreiche Gemeinplätze wie „Der Reiseveranstalter leistet dem Reisenden Beistand, wenn dieser sich in Schwierigkeiten befindet“. Bleibt nur zu hoffen, dass die Reiseveranstalter die Zettel auch lesen – und beherzigen.
Quelle: ARAG VersicherungPauschalreiserichtlinie